Düsseldorf/Marl. Senta Berger sammelt Filmpreise wie andere Menschen Briefmarken. Einen Grimme-Preis indes fehlte der 68-Jährigen bisher. Das ändert sich jetzt. Am 26. März erhält sie die renommierteste deutsche Medien-Trophäe in Marl. Jürgen Overkott sprach mit der Schauspielerin.

„Frau Böhm sagt Nein“ hat inzwischen den dritten Medienpreis abgeräumt. Es gab den Zuschauerpreis beim Filmfestival in Baden-Baden, eine Goldene Kamera und jetzt den Grimme-Preis. Haben Sie mit einem derartigen Erfolg gerechnet?

Senta Berger: Niemand hat mit dem Erfolg rechnen können. Es ist ein relativ bescheidener Film im Sinne von unspektakulär, einfach Fakten erzählend.

Was bedeutet Ihnen der Grimme-Preis?

Senta Berger: Ich halte ihn für einen Maßstab und einen Wegweiser für die Öffentlich-Rechtlichen.

Erstaunlich fand ich, dass nicht nur die Kritiker begeistert waren, sondern auch das Publikum.

Senta Berger: Die Zahlen sind für mich immer ziemlich abstrakt, aber ich wusste ziemlich genau, wie „Frau Böhm“ auf das Publikum wirkt. Ich hatte im Anschluss an den Film eine Situation, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Das war an dem Tag, an dem mein Sohn den Bayerischen Filmpreis bekommen hat. Als ich über den roten Teppich ging, hörte ich nicht „Frau Berger, Frau Berger“, sondern „Frau Böhm, Frau Böhm“. Es war wahnsinnig kalt an diesem Tag, zehn Grad minus, aber ich konnte nicht anders, als mich dahinzustellen und zu sagen: „Ja. Danke.“

Warum hat der Film das Publikum so berührt?

Senta Berger: Es ist alles erzählt aus dem Blickpunkt von Frau Böhm. Diese Frau denkt sehr nüchtern, sehr klein, und trotzdem hat sie Zivilcourage. Der andere Punkt war: Uns Beteiligten war selbst nicht ganz klar, wie Aktiengeschäfte im großen Maßstab funktionieren. Und es geht um den Zugewinn aus diesen Geschäften, der zum Missbrauch führt. Und weil das so kompliziert ist, haben wir uns entschlossen, die Geschichte ganz einfach zu erzählen.

Ihre junge Gegenspielerin in dem Film, Lavinia Wilson, war vom Dreh mit Ihnen total begeistert. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit ihr erlebt?

"Wir verstehen uns ohne Worte"

Senta Berger: Es war ihr zweiter Film mit Michael Verhoeven und mir. Ihr erster war „Zimmer mit Frühstück“, eine kleine Komödie. Lavinia spielte eine Studentin namens Zoe, das heißt Geschenk, und Lavinia war ein Geschenk für uns und das ganze Team. Sie stand damals kurz vor dem Abitur, wollte Dschungelforscherin werden und hatte eigentlich überhaupt kein Interesse an der Filmwelt. Und als ich sie nach Jahren wiedertraf, stand ich vor einer jungen Frau, die aber immer noch ein kleines Mädchen ist, Gott sei Dank. Und genau das ist das Faszinierende an der Art, wie sie ihre Rolle als junge Sekretärin in „Frau Böhm“ umgesetzt hat. Sie war eben nicht nur tough, sondern es schimmerte auch immer durch, dass diese Frau ein kleines Mädchen ist, hinter den hochhackigen Schuhen und dem engen Kostüm. Das hat die Rolle aufgebrochen, das machte sie interessant. Mit der Lavinia ist es leicht, wir verstehen uns ohne Worte.

Sie haben seit Mitte der 60er im deutschsprachigen Raum fast jeden Medienpreis gewonnen, den es zu gewinnen gab. Wie lange brauchen Sie eigentlich, um die ganzen Trophäen abzustauben?

Senta Berger: Noch habe ich jemanden, der das für mich tut. Das Problem ist eigentlich, dass Michael und ich uns mal Zeit nehmen sollten, uns die ganzen Preise in Ruhe anzusehen. Sie stehen auf einer großen, schönen Freitreppe, und ich sollte einfach mal Stufe für Stufe hochgehen. Bei jedem Preis erinnerte mich, ja, an die Stimmung, an das Lampenfieber, Du erinnerst Dich auch daran, was Du anhattest (lacht). Und denkst auch daran, ob Du den Preis zu recht oder zu unrecht erhalten hast.

Stufe für Stufe, wie die Stufen des Lebens.

Senta Berger: Na ja, nicht ganz so sentimental. Aber es hat schon was damit zu tun.

Haben Sie die Preise chronologisch aufgestellt?

Senta Berger: Nein, nein, ästhetisch: Hier ist mehr Bronze, und da ist mehr Holz (lacht).

Haben Sie schon eine Rede vorbereitet?

Senta Berger: (entscheiden) Nein. Vor der Gala gibt es bei mir erst mal die große Verdrängung.