Köln. Mit viel Mut zu grauen Strähnen und Altersfalten spielt Senta Berger in dem ARD-Fernsehfilm "Schlaflos" die Ex-Diva Carla Sagmeister, deren Karriere nach vielen Jahren hinter Gittern beendet ist. Verbittert versucht sie, ihre Unschuld zu beweisen.
Dabei beschuldigt Sagmeister vor allem den Forensiker Dr. Michael Borchert. Sein Gutachten hatte in dem Indizienprozess wegen Totschlags den Grundstein für das verhängnisvolle Urteil gelegt. Liegt ein Justizirrtum vor? Bahnt sich ein Rachefeldzug an? Diese Fragen stehen am Anfang der WDR-Produktion, die das Erste am Mittwoch, 8. April, um 20.15 Uhr ausstrahlt.
Aus dem Gefängnis entlassen, wird Carla Sagmeister von der Boulevardpresse gejagt, die sie mit Schlagzeilen wie "Schönheit vergeht, Schuld bleibt" demütigt. Umgehend beschafft sich Sagmeister eine Pistole, mit der sie den von August Zirner dezent gespielten Forensiker bedroht.
Erste Zweifel
Der Mann, den sie für ihr zerstörtes Leben verantwortlich macht, soll mit Hilfe moderner Computertechniken den Fall neu aufrollen. Zögernd gibt Borchert nach und nimmt die Untersuchungen wieder auf. Rasch kommen ihm Zweifel, ob Sagmeister wirklich ihren Geliebten Erik Vonhoff (Stefan Gebelhoff) erschossen hat.
Derweil stößt die Schauspielerin bei ihrer einzigen Tochter Yvonne (Caroline Peters), die während der Haft jeden Kontakt verweigert hat, auf eisige Abwehr. Schlimmer noch: Carla Sagmeister erfährt erst jetzt, dass Yvonne einen Sohn hat, den sie mit Erik gezeugt hat. Auch Eriks Schwester Sabine (Victoria Trauttmansdorff), die unter Multipler Sklerose leidet und als einzige den Kontakt zu der Verurteilten nicht abgebrochen hat, scheint ein Geheimnis zu verbergen.
Berger läuft zu Höchstform auf
"Schlaflos" entzieht sich gängigen Genrezuweisungen. Der versierte Drehbuchautor Norbert Ehry kombiniert geschickt Elemente des Krimis, des Sozialdramas und eines Mutter-Tochter-Melodrams zu einem TV-Stück, dem die Bezeichnung Psychogramm am ehesten gerecht wird.
Unter der Regie von Isabel Kleefeld, die schon drei TV-Filme mit Senta Berger gedreht hat, läuft die Schauspielerin zu Hochform auf. Sie wirkt praktisch in jeder Szene mit und trägt den Film fast allein, macht Verbitterung und Frustration ebenso glaubhaft wie Trauer und Rachedurst. Ihr nimmt man auch ab, dass Sagmeister auf Vergeltung verzichtet, nachdem sie die Wahrheit herausgefunden hat. Berger: "Sie ist zu klug. Sie versteht. Vielleicht wird sie später sogar verzeihen können."
Bergers glänzende Leistung entschädigt auch für die schwache Auflösung der Krimi-Story. Denn wer die Bluttat verübt hat, lässt sich leider allzu leicht und früh absehen. Und dass die Heldin am Ende auch noch auf eine Entschädigung für die zwölf verlorenen Jahre verzichtet, wirkt selbst für eine Ex-Diva eine Spur zu edel und großmütig. (ddp)