Freiburg. Sie ist ein charmanter Hingucker, aber der ganz große Gewinn für die Sendung ist sie nicht: Michelle Hunziker, die Gottschalk als „Junior-Partnerin“ vorstellte, spielte beim "Wetten dass..?"-Einstand nur eine kleine Nebenrolle. Sie musste Wetten präsentieren, die ziemlich ekelhaft waren.
Damit eines gleich vorweg gesagt ist: Michelle Hunzikers Dekolletee war kinderprogrammtauglich. Die Schweizerin lächelte telegen in glitzernden Pumps und silberfarbenem Kleid und war damit so samstagabendshowcharmant, dass man sich fast gewünscht hätte, der attraktive Neuzugang spiele nicht nur die kleine Nebenrolle der Wetten-Erklärerin in der Show. Denn sie ist schon ein Hingucker, die Hunziker.
Ob's daran lag, dass die erste "Wetten dass..?"-Sendung nach der Sommerpause mit 11,29 Millionen Zuschauern die beste Einschaltquoten seit anderthalb Jahren hatte? An den Wetten jedenfalls kann's nicht gelegen haben. Denn die waren zum Weggucken: Da gurgelt ein Hamburger mit grölendem Fanclub unermüdlich nach Spucke, um mithilfe ellenlanger Speichelfäden zehn Briefmarken in ein Gefäß zu befördern. Zweieinhalb Minuten sind fürs Geschlabber und Gesabber eingeplant. Nicht schön. Aber gut, Schwamm drüber.
Michelles angewidertes Lächeln
Wetten, dass sich trotzdem bald alle angeekelt wegdrehen? Die Geschmacksgrenze ist überschritten, wenn ein Schnurrbartträger nach exzentrischer Schnüffelei am verschwitzten Gummistiefel die richtige Trägerin mit folgenden Worten zuordnet: „Ah, ja. Die hat Schweiß, das ist die Iris.“ Dann wendet sich sogar Michelle Hunziker mit angewidertem Lächeln ab. Und das soll was heißen. „Ich bin sehr physisch“, warnt sie das Publikum bereits zu Beginn der Sendung - und herzt dann auch herzlich jeden anderen Kandidaten, als meinte sie, diese wären nur wegen einer Hunziker-Umarmung in der Show.
An emotionalen Augenblicken hätte es dem ersten „Wetten dass..?“ nach der Sommerpause in der Freiburger Rothaus-Arena auch ohne Hunzikers Körpereinsatz nicht gemangelt: Whitney Houston is back! Vor zehn Jahren war sie zuletzt in der Sendung, das Publikum offeriert ihr die Standing Ovations diesmal schon vor dem Auftritt. Und danach, wer hätte es erwartet, setzt sie sich zu Gottschalk auf die Couch. Woher sie die Kraft genommen habe, die große Karriere noch mal anzukurbeln, will der Entertainer wissen. „Mein Glaube, meine Überzeugung“, antwortet Houston. Sie wollte ihrer Tochter den großen Erfolg noch mal vorführen. Die 16-jährige Bobbi Kristina Houston ist im Publikum, ihr Gesicht wird groß eingeblendet, angestrengte, versteinerte Mimik.
Gottschalk fällt - wie üblich - den Gästen ins Wort
So entspannt wie üblich sitzt dagegen Gottschalk auf der Couch als wäre er in seinem Wohnzimmer, fällt seinen Gästen ins Wort wie immer, führt souverän wie gewohnt durch die Show. Mit Tokio Hotel spricht er wie ein stolzer Vater am Frühstückstisch: „Ihr seid richtig erwachsen geworden.“ Bei den zu Guttenbergs habe er schon als Sechsjähriger gespielt, man kommt aus dem gleichen Wahlkreis, deshalb duzt man sich auch; ein smart lächelnder Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erzählt, dass „ ich durchaus technobegeistert bin“. Der Noch-Bundeswirtschaftsminister trägt ebenso wenig Krawatte wie Schauspieler Sebastian Koch, der bald als „Seewolf“ im ZDF-Zweiteiler zu sehen ist. Übrigens ist auch Veronica Ferres mal wieder bei „Wetten dass..?“, allerdings deutlich unspektakulärer gekleidet als erwartet.
Dafür bringt sie diesmal einen spannenden Gast, ganz langsam, Stufe für Stufe die Studiotreppe hinunter zur Couch: die 97-jährige Jüdin Marga Spiegel, die während der Nazi-Herrschaft von deutschen Bauern versteckt wurde und deren Geschichte mit Ferres in der Hauptrolle in dem Kinofilm „Unter Bauern“ zu sehen ist. Man schämt sich fast ein bisschen dafür, dass auch sie die Schwitz- und Sabber-Wetten angucken muss, die 97-Jährige indes schert’s nicht. Sie wirkt mindestens so unerschrocken wie der jüngste in der Runde: „Wickie“ Jonas Hämmerle, der im Partnerlook mit Produzent Michael „Bully“ Herbig im dunklen Anzug kam. Wenn Gottschalk ihn penetrant nach Mädchen fragt, spielt er den Profi. Obwohl’s ihm peinlich ist.
Pocher-Auftritt mit viel Fremdschäm-Potential
Apropos: Fremdschäm-Potenzial hat Oliver Pochers Auftritt gegen Ende der Sendung. Für seinen nervösen Stand-up erntet er kaum Lacher. Der Zuschauer vor dem Fernseher ahnt schon böse Buh-Rufe, aber die Freiburger sind gnädig. Pocher bekommt trotzdem hektische rote Flecken und wird sich auch später auf der Couch nicht mehr fangen. Ganz gründlich misslingt, eine Kritik zur Show lustig ins Programm einzubinden. Wobei das wiederum auch an der Sendung liegen könnte, von der vielleicht zu viel Neues erwartet wurde. Die kleinen Veränderungen haben „Wetten dass..?“ kaum die erhoffte Frische gebracht.
Auf die beim Publikum beliebte Saalwette wird zugunsten eines eher drögen Hunziker-Gottschalk-Kandidaten-Duells um die Standfestigkeit schräg gekippter Getränkedosen verzichtet. Dass die Namen der Wettenden nun mit einem Balken rechts eingeblendet werden, fällt als Novum kaum auf. Und in punkto Moderation ist Michelle Hunziker keine großer Gewinn. So viel Charme sie auch mitbringt, sie wirkt aufgeregt und unsicher, verhaspelt sich immer wieder: Bei der Außenwette an einem See, den ein Isländer mit einem Offroad-Fahrzeug zu überqueren versucht, wirkt sie gar fahrig. Da ist sie wie der Wett-Kandidat, der mit seinem Gefährt mitten auf dem See untergeht: „gescheitert, aber spektakulär.“