Köln. Zwei Sender, ein Ziel: Das Erste und ProSieben wollen den Eurovision Song Contest wieder “emotionalisieren”. Die neue Lust auf den Sangeswettstreit soll den deutschen Beitrag im kommenden Jahr in die Top 10 bringen.

Entertainer Stefan Raab, NDR-Intendant Lutz Marmor für die ARD und ProSiebenSat.1-Chef Andreas Bartl priesen am Donnerstag in Köln “die ungewöhnlichste Fernsehallianz aller Zeiten”. Klar ist, dass der Handel TV-Geschichte schreibt: Nie zuvor gab es eine derart intensive Zusammenarbeit von gebührenfinanziertem und kommerziellem Fernsehen. Klar ist auch, dass vor der Zusammenarbeit gefeilscht wurde wie auf einem Teppich-Basar. Raab hatte das Projekt schon öffentlich für beendet erklärt, da einigten sich alle Beteiligten doch noch.

Die Neuerfindung des Sangeswettstreits

Stefan Raab (l.), ProSiebenSat.1-Chef Andreas Bartl. (c) Getty/AFP
Stefan Raab (l.), ProSiebenSat.1-Chef Andreas Bartl. (c) Getty/AFP © Getty Images

Und der Gewinner heißt: Stefan Raab. Logischerweise verkündete er die Neuerfindung des deutschen Vorentscheids für die größte europäische Musikshow in seinem Studio an der Schanzenstraße in Köln, flankiert von Würdenträgern der beiden Sender.

Das Schöne: Es gibt nur Gewinner. Raab präsentiert sich als die Nummer eins am Hauptabend für ein junges oder jung gebliebenes Publikum. Das Erste gewinnt Kreativität, ProSieben die Seriosität einer vertrauten Marke. Immerhin ist der Wettbewerb, der lange als Grand Prix Eurovision firmierte, beinahe so alt wie die EBU als Verband der öffentlich-rechtlichen Sender Europas. Er ging 1956 erstmalig auf Sendung.

Ulk-Pop, Schlager-Tralala oder Disco-Nostalgie

Die Tradition geriet jedoch in den vergangenen zehn Jahren zunehmend zur Bürde. Das Publikum zappte immer öfter weg, und schlechte Platzierungen drohten das Image der Veranstaltung zu ruinieren. Kein Wunder, dass zuletzt niemand mehr den Eurovision Song Contest ernst nahm. Die deutschen Beiträge taumelten ziellos zwischen Ulk-Pop, Schlager-Tralala und Disco-Nostalgie hin und her.

Das soll jetzt anders werden. “Wir werden Künstler nicht einfach nur in bunte Klamotten stecken”, versprach Raab. Der Vorentscheid soll erklärtermaßen kein Durchlauferhitzer für Sternchen sein, deren Halbwertzeit zwischen Hit und ewigem Vergessen eine Zigarettenlänge knapp übersteigt. Künstler können sich im Internet ab sofort anmelden (www.eurovision.de oder www.tvtotal.de). Sie dürfen bekannte Lieder covern oder aber mit eigenem Material auftreten - und zwar im Februar und März nächsten Jahres. Acht Sendungen gibt es. Fünf überträgt ProSieben, drei das Erste.

Bundesvision Song Contest bleibt bestehen

Lutz Marmor (NDR), Stefan Raab, Andreas Bartl (ProSiebenSat.1) im Brainpool-Studio in Köln. (c) Getty Images
Lutz Marmor (NDR), Stefan Raab, Andreas Bartl (ProSiebenSat.1) im Brainpool-Studio in Köln. (c) Getty Images © Getty Images

In der Vorrunde entscheidet eine Jury. Deren Mitglieder, tönte Raab, gehören zur “Crème de la Crème des deutschen Pop-Geschäfts”. In Halbfinale und Finale entscheidet jedoch das Publikum - und zwar darüber, wer “unser Star in Oslo” (Motto) wird, aber auch, welches Lied er dort zum Besten gibt.

Für den nötigen Rückenwind in Norwegens Hauptstadt sollen zudem die neun Pop-Wellen des ARD-Hörfunks sorgen, wie 1Live-Chef Jochen Rausch erklärte.

Ob das Experiment Zukunft hat, steht dahin. Raab ließ sich spontan dazu hinreißen, bereits jetzt seine Bereitschaft zu einer längeren Zusammenarbeit anzudeuten. “Aber”, schob er witzelnd nach, “das Ding ist derart erfolgreich, dass es die ARD sofort wieder absetzt.” Fest steht allerdings, dass Raabs eigenes Format bestehen bleibt: der Bundesvision Song Contest. Mit einer Änderung: Die Show wandert vom Frühjahr in den Herbst.