Essen. Wer ist "Der Herausforderer" Frank-Walter Steinmeier wirklich? Antworten auf diese Frage gibt die 45-minütige ARD-Dokumentation über den SPD-Kanzlerkandidaten leider nicht. Ein Fernsehabend der zum lautstarken Gähnen einlud.
45 Minuten Frank-Walter Steinmeier pur – ach herrje. Man kann sich den Fernsehabend lustiger vorstellen als ihn mit einer ARD-Dokumentation über den „Herausforderer“ zu verbringen, wie Hans Jürgen Börner und Tom Ockers ihren Film untertitelt haben. Aber gut, diese Doku soll ihre Chance bekommen, mich vom Hocker zu reißen. Möge sie mir den drögen SPD-Kanzlerkandidaten in einem vollkommen neuen Licht zeigen.
Aber genau das schafft die Doku leider nicht. Sie kratzt höchstens an der Oberfläche – so erhascht man ein paar kurze Blicke auf Steinmeier beim gepudert und gestylt werden vor einem Auftritt, Bier trinkend in seinem Heimatdorf Brakelsiek oder ungewohnt locker im kurzärmeligen Hemd im Flugzeug. Man erfährt auch, dass Ehefrau Elke Büdenbender ihren Mann, der „so gern lacht“, immer noch attraktiv findet und wie der Kanzlerkandidat zu WG-Zeiten war: ein „fröhlicher Mensch mit hoher Toleranzschwelle, mit dem man gut zurechtkommt“. Natürlich. Ansonsten sei in seiner Kindheit und Jugend „alles normal“ gewesen, berichten die Autoren, und ein Jugendfreund erklärt im O-Ton, man habe zwar auch mal zusammen gefeiert, aber im Grunde habe es mehr Diskussionszirkel gegeben. Welche Überraschung. Man möchte lautstark gähnen.
Verwackelte Privatvideos
Das Problem des Films ist, dass er kaum Überraschendes über die Hauptperson ans Licht bringt - wirklich nahe kommt er dem Menschen Frank-Walter Steinmeier dadurch nicht. Dass der Kanzlerkandidat zu Studienzeiten noch keine Routine im Krawattebinden hatte, mag ein nettes Detail sein, das auch gleich mit einem schlecht gedrehten, weil hoffnungslos verwackelten Privatvideo belegt wird. „Du hast ein wenig gepieselt“ sagt Steinmeier in einem anderen Filmschnipsel zu einem der Nachbarskinder, auf die er häufiger mal aufgepasst hat. „Der Kümmerer“ nennen ihn die Dokumentatoren, einen „Familienmenschen“. Aber lebendige Szenen, die das auch belegen, gibt es viel zu selten. Da wird von vielen Protagonisten vieles behauptet – dabei wäre man lieber hautnah dabei gewesen, wie er zum Beispiel bei diesem sympathischen älteren Ehepaar am Gartenzaun vorbeifährt.
Was der Doku ebenfalls fehlt, ist ein erkennbarer roter Faden. Da werden zwischen kurzen Familienanekdoten wichtige Ereignisse aus Steinmeiers politischer Laufbahn eingestreut, etwa der Fall Murat Kurnaz, Entführung von Deutschen im Jemen, sein Besuch bei Stahlarbeitern oder ein Ausschnitt aus einer Rede, bei der er sich heiser gebrüllt hat. Genossen und Freunde kommen zu Wort, die Steinmeier entweder für zu wenig spritzig oder für den mächtigen Mann im Hintergrund zu Schröder-Zeiten halten. Und immer wieder Altkanzler Schröder, der betont, sein ehemaliger Kanzleramtschef sei selbstverständlich kein Abklatsch, sondern das Original.
Mission gescheitert
Natürlich kommt Steinmeier auch selbst zu Wort. Dabei trägt er meistens den perfekten, dunklen Anzug, den man von ihm erwartet, und sitzt in einer Art leeren Fabrikhalle. Wo soll das sein? Warum sitzen wir nicht mit ihm am Frühstückstisch, fahren ein bisschen länger mit ihm im Auto durch die Gegend, begleiten ihn zu seinem Schreibtisch? So jedenfalls, wie er hier interviewt wird, noch dazu ständig im Halbprofil, lernt man den Menschen nicht kennen. Er redet über Macht, sein ehrgeiziges Ziel der Vollbeschäftigung, nimmt Stellung zum Fall Murat Kurnaz, und das alles in seiner bedächtigen, sachlichen Art zu sprechen. Noch langweiliger ist eigentlich nur die Synthesizer-Hintergrundmusik, die der Dokumentation auch das letzte bisschen Spannung nimmt.
„Irgendwie kommt er nicht so richtig rüber“, sagen die Autoren ziemlich zu Beginn ihres Films über Steinmeier, und sie haben ja recht. Wenn sie versucht haben sollten, das zu ändern, so ist ihre Mission grandios gescheitert. Schuld mag zu großen Teilen die schlechte Dramaturgie des Films sein, fest steht jedoch: Auch in dieser Doku kam der Kanzlerkandidat wieder einmal „nicht so richtig rüber“.