Dortmund. Nach der Wahl ist vor der Wahl: Mit Kombi und Kleistereimer zieht die Partei-Basis in einen weiteren Wahlkampf. Es ist ihr dritter in diesem Jahr. Die Kommunalwahl-Kandidaten werden überklebt. In Dortmund ist Sierau jetzt Steinmeier. Und Pohlmann verschwand leise lächelnd hinter Merkel.

Am Tag nach dem Sieg ist Sierau weg. „Der arme Ulli, jetzt wird er zerrissen”, sagt Horst Entrich und knibbelt dem neuen Oberbürgermeister am Ohr. Nach der Wahl ist vor der Wahl, die Bewerbung hat sich überlebt und wird überklebt. Sierau ist jetzt Steinmeier, Pohlmann verschwand leise lächelnd hinter Merkel, der Kandidat ist von gestern, es lebe der Kandidat.

Nur die Männer mit Quast und Kleister sind dieselben geblieben. Horst und Dieter mit dem alten Ketchup-Eimer im Kombi, Christian und Benedikt mit der Profipaste auf dem Pick-Up: So machen SPD und CDU in Dortmund am Abend nach der Wahl alles neu. Am stehenden Objekt pinselten sie schon um von Europa- auf Kommunal- und nun eben auf Bundestagswahl, manchmal im Dunkel der Nacht. „Plakate kleben gehört einfach dazu”, sagt Dieter Siegmund; „es kommt auf uns an, da fragt man nicht nach”, sagt Benedikt Penning – sie haben den ganzen Sonntag im Wahllokal gesessen, danach ausgezählt und ein wenig gefeiert hüben wie drüben, „genug ausgeruht”. Solche Leute sind die Basis, und unter ihren Händen verliert nun wieder ein Wahlkampf sein Gesicht.

Tricks für den Kleister

In Huckarde tragen sie „jetzt den Marco durch die Gegend”, der SPD-Mann für Berlin schaut dabei etwas ernst, „wir sollten ihn in die Sonne stellen”, sagt Horst Entrich, „so guckt er freundlicher”. Die Ratskandidaten haben sich vielleicht noch selbst mit aufgehängt, aber für Marco Bülow wäre „die halbe Stadt ein bisschen viel”, sagt Manfred Stankewitz. Der Stadtbezirksvorsitzende hat im Parteiraum „die erste Rutsche” Plakate sortiert, 300 Ständer müssen sie füllen à DIN A 0. An einem reibt Entrich nun dem Neuen die Falten aus dem Gesicht. „Sonst wird man noch angemotzt: Wer hat da geklebt?”

Sie haben ihre Tricks, die Genossen mit ihrer Spezialmischung „für schwere Tapeten”, die außerdem jeden Kandidaten noch einweichen, die Konkurrenten von der Union geben einen Tropfen Leim in den Kleister. „Anpacken für unser Land” kleben sie im Westen an die Wände und „Weil Arbeit faire Löhne braucht”, nur gibt es für diese Arbeit keinen Lohn. Sie bezahlen die Plakate aus der Parteikasse, die verliert Vermögen wie die Partei Mitglieder, „aber manchmal tun die Mandatsträger was dabei”.

„Sicher leben” drapiert die CDU an ein Straßenschild, die SPD muss sich eine Laterne mit den Rechten teilen, „Ordnung”, fordern die, und unten sorgt Dieter Siegmund genau dafür: Er war extra im Baumarkt, Holz holen, um eine Platte zu reparieren, sie hatten sie zertreten. Er ist jetzt 37 Jahre in der SPD, in der Gewerkschaft natürlich auch, er hat „geklebt von Anfang an”.

CDU-Ratskandidat überklebt sich selbst

Auch Kollege Entrich hat „seine” Wahlen nie gezählt, er feierte fast silbernes Jubiläum in der Bezirksvertretung; beide können sich erinnern an Stellwände, die stabiler waren als billige acht Millimeter. Typen wie Dieter und Horst hängen an der Partei wie ihre uralten Plakate an den verwitterten Spanplatten: Jahrzehnte!

In Aplerbeck sind sie derzeit dabei, ihre Union zu erneuern. Gerade 30 Jahre alt ist Benedikt Penning, der eben in den Rat einzog, „Glückwunsch”, sagen sie statt „Guten Tag”. Er wollte den „Wandel gestalten”, so steht es unter seinem Konterfei, und nun muss Benedikt sich selbst überkleben. „Das war's schon mit dir”, spottet Christian Röttger, es ist ihnen ein bisschen komisch, aber auf dem neuen Plakat steht: „Wir haben die Kraft.”

Olaf Gronemeyer, Vorsitzender der Ortsunion, glaubt das auch, er berechnet den Grad der Motivation an den sechs jungen Männern, die schon wieder auf der Matte stehen zum Kleben. „Wir sind sehr erfolgreich”, hat er gelobt, aber dann die Devise ausgegeben: „Zöpfe ab, neues Thema.” Allerdings sind die neuen Themen einander ein bisschen ähnlich, „Arbeit” und „Bildung” wollen sie natürlich alle und finden „Unser Land kann mehr” oder „Deutschland kann es besser”. Wahlweise.

Jetzt geht's ums große Ganze

Bei der CDU kommt am Wochenende statt der vielen Worte Kandidat Erich G. Fritz an die Laternen, „Frau Merkel erst am 21.”, sie kleben also noch zweimal um. Bis dahin pappen sie einen Wortbeitrag mit der Artikelnummer H 589/2 auf Joachim Pohlmann, der gestern noch ihr Oberbürgermeisterkandidat war. Aber um ihn geht es nicht mehr, sondern ums große Ganze und danach immer weiter. „Für den Winter räumen wir ab”, sagt SPD-Mann Stankewitz. Nur für den Winter. Danach ist schon wieder Landtagswahl.