Berlin. Deutsche Fernsehserien haben es schwer beim von US-Importen verwöhnten Publikum. Dass es anders geht, zeigt die neue Serie um Gauner-Familie Schulz.

Meistens sind die Serien im deutschen Fernsehen streng nach Genres eingeteilt: Familie, Arzt, Comedy oder natürlich Krimi. Selten gibt es eine Vermischung davon – doch nun taucht mal eine auf. "Unter Gaunern" heißt eine neue ARD-Vorabendserie, die am Dienstag (27. Januar, 18.50 Uhr) mit acht Folgen startet. Sie ist in erster Linie wohl ein Familienformat, aber mit großen Elementen aus Comedy und Krimi. Ärzte kommen hingegen kaum vor, und vermisst werden sie auch nicht.

Im Mittelpunkt steht die Familie Schulz, die in einer leicht heruntergekommenen Villa in Bremen wohnt, mit dem Schild "Im- & Export" davor. Das klingt harmlos, aber alle Mitglieder haben einen mehr oder minder kriminellen Hintergrund.

Allesamt Gauner

Großvater Frans (Peter Schulze) war einst der König der Bremer Unterwelt und fälscht jetzt ausschließlich Bilder der Worpsweder Malerin Paula Modersohn-Becker. Sein Sohn Bruno (Jophi Ries) schmuggelt am liebsten Handys, während seine Frau Jette (Julia Jäger) die Familienkasse (die sie ohnehin unter sich hat) mit Pferdewetten aufbessert (was aber auch mal schiefgeht). Beider Sohn Robbie (Moritz von Zeddelmann) hat ein geradezu überbordendes Selbstbewusstsein, erobert die Frauen reihenweise und ist wegen illegalen Handels mit Steroiden vorbestraft. Allesamt Gauner also, und das schon seit Generationen.

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Das weiße Schaf der Familie ist Tochter Betty (Cristina do Rego). Sie fängt gerade bei der Polizei als Jahrgangsbeste an, wovon niemand etwas weiß – außer ihrer besten Freundin Carmen (Kaya Marie Möller), in deren Fitnessstudio Betty angeblich arbeitet, natürlich nur zur Tarnung.

Betty wird ausgerechnet die bärbeißige Hauptkommissarin Ida Wolff (Barbara-Magdalena Ahren) als Vorgesetzte zugeteilt, für deren Auftritte lohnt sich allein das Einschalten. Und im Laufe ihrer Ermittlungen kommt Betty natürlich ständig in Gewissensnöte, weil es dabei oft um ihre eigene Familie geht. Einzige Beruhigung dabei für sie ist das eiserne Motto ihrer Lieben: "Keine Waffen, keine Drogen!"

Teils politisch inkorrekt und außerordentlich frech

Inszeniert wurde das Ganze von Michael Polle (Produzent), Christian Jaensch (Headautor) und Sophie Allet-Coche (Regie). Sie alle verstehen ihr Geschäft, und so ist diese Serie erfrischend unkonventionell geraten, teilweise hübsch politisch inkorrekt und außerordentlich frech – ganz nach der Devise "Weg mit dem Rückgrat, her mit der Schleimspur".

Die Dialoge sind oft pointiert ("Polizisten sind der Schließmuskel der Gesellschaft"), die Situationskomik ist es auch. Die rasante Erzählweise erinnert sehr oft an die von 2002 bis 2005 ausgestrahlte ARD-Erfolgsserie "Berlin, Berlin" (samt der sichtbar gemachten Tagträume von Betty oder vorweggenommener Szenen). Und natürlich ist die Idee schon recht bestechend, einmal eine Gaunerfamilie in den Mittelpunkt einer Serie zu stellen.

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Julia Jäger (45) als Mutter Jette trägt meist ein geblümtes Kleid und wirkt eher unscheinbar. Doch weit gefehlt, wie die Schauspielerin in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erzählt: "Es ist eine herrliche Familie, weil es tolle Charaktere sind und alles stimmig ist. Wie die miteinander reden und sein dürfen, ist schon toll." Sie seien wunderbar lebensnah. "Die Figuren dürfen ja so reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Das hat ganz viele Überhöhungen, das ist natürlich nicht realistisch. Die Kräfteverteilung in dieser Familie ist einfach großartig, da spielt sich doch jeder die Bälle nur so zu. Und so sieht es von außen aus, als hätte ich den Daumen drauf und alle Fäden in der Hand." Insofern sei das Spielen ganz leicht gewesen. "Wir sind doch Geschichtenerzähler, und wenn die Menschen sich dabei hübsch unterhalten fühlen, dann haben wir es gut gemacht."

Ein sprechender Rabe namens Sheriff gehört auch zur Familie

Das hat sie ohne Frage, ebenso wie die anderen ihre Rollen auch. Jophi Ries darf schönes breites Hamburgisch sprechen (was man in Bremen und Umland sicher auch versteht) und wirkt eher brummelig – weiß aber doch ganz genau, was alles so vorgeht. Betty verliebt sich erst in den (doch allzu peniblen) Polizisten Magnus (Golo Euler) und dann in dessen smarten Kollegen Ole (Matthias Weidenhöfer), den alle für schwul halten, der es aber – oh Wunder! – gar nicht ist. Ach ja, und einen sprechenden Raben namens "Sheriff", der natürlich ebenfalls klaut, gibt es auch noch. Kurzum: Familie Schulz hält zusammen und ist ziemlich einzigartig in der deutschen Serienlandschaft.

Die Serie ist einfach liebevoll und klug gemacht und steckt voller überraschender Wendungen. Über eine etwaige Fortsetzung ist derzeit noch nicht entschieden. Also: Mehr Mut, ARD! Auch, was den Sendetermin anbelangt: Das würde man wirklich gern um 20.15 Uhr sehen. (dpa)