Essen. Seit einem Jahr nervt AfD-Chef Bernd Lucke die etablierten Parteien mit satten Wahl- und Umfrageergebnissen. Bei “Günther Jauch“ war gestern zu besichtigen, wie dem Dauer-Dampfplauderer die Luft herausgelassen wurde.
Ein Gespenst geht um in Deutschland. Es bewegt sich montags schweigend durch die abenddunklen Straßen, zuerst in Dresden, inzwischen auch an anderen Orten. Es ist, wie Gespenster nun einmal so sind, schwer zu greifen. Seine Hintermänner sind nur schemenhaft auszumachen. All das macht Angst. "Pegida", so der Name des Gespenstes, ängstigt vor allem die etablierten Parteien. Denn es sind nicht nur kahlrasierte Neonazis und dumpfe Parolen grölende Hooligans, die sich da hinter Transparenten gegen die angeblich drohende "Islamisierung" Deutschlands einreihen, sondern es geht um eine "Ansammlung von Frustbürgern", wie es Politikberater Michael Spreng bei "Günther Jauch" griffig formulierte. Und: Es sind Wähler, um deren Stimmen sich die Parteien sorgen.
Deshalb lautet aktuell vor allem im Lager von CDU und CSU, aber auch in Teilen der SPD die Millionenfrage: Wie umgehen mit "Pegida" - totale Distanz, mit Argumenten dagegenhalten oder gar ranschmeißen? Am besten gleich alles auf einmal. Das findet jedenfalls Bernd Lucke, Vorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD). Der Parteichef, dessen Organisation selbst nicht zimperlich ist, wenn es darum geht, mit fremdenfeindlichen Tönen ("Wir sind nicht das Weltsozialamt") auf Wählerfang zu gehen, startete beim Jauch-Talk den Versuch, sich gleichzeitig von "Pegida" zu distanzieren und die Protesler zu umschmeicheln.
AfD-Chef Lucke ist beeindruckt von Pegida-Demonstrationen
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Er sei "anfangs sehr skeptisch" gewesen gegenüber der neuen Bewegung, gab Lucke zu Protokoll. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass AfD-Mitglieder dort mitmischen. Inzwischen sei er jedoch "beeindruckt" von den "friedlichen Demonstrationen". In dem "Pegida"-Forderungspapier hätten die Verfasser "vieles, was sehr vernünftig ist" aufgeschrieben. Fremdenfeindlichkeit, so Lucke, lehne er - natürlich - "entschieden ab". Aber zahlreiche Menschen, vor allem in Ostdeutschland, steckten nun mal in einer "Vertrauenskrise", hätten das Vertrauen in die Politik allgemein verloren. Populist Lucke in seinem Element.
Doch bei Jauch traf der AfD-Chef auf Gegner,die offenbar gewillt waren, diesmal dagegenzuhalten. "Sie spielen Flip-Flop", konterte forsch Jens Spahn, frisch gekürtes Präsidiumsmitglied der CDU. Lucke drehe die Dinge immer so, "wie es gerade passt". Stattdessen solle er doch mal klar Stellung beziehen. Das war das Stichwort für Ex-"Bild"Mann Spreng. "Dann müsste Herr Lucke ja das aufgeben, was er das ganze Jahr über betreibt: Wählermaximierung", ätzte Spreng.
Lucke wirft Jauch "tendenziöse Darstellung" vor
Lucke geriet zunehmend in die Defensive. Als dann noch Gesine Schwan, Hochschulchefin und ehemalige SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, süffisant einschob, die AfD habe "so viele interne Probleme, das wird sich sowieso erledigen", verlor er die Souveränität. Zuerst beschwerte Lucke sich wortreich über die Presse, die seine AfD mit falschen Zitaten und schiefen Darstellung bösartig verleumde und warf dabei sogar seinem Gastgeber Jauch eine "tendenziöse Darstellung" der "Pegida"-Bewegung vor. Dann klagte er darüber, dass er in der Talk-Runde "allein gegen vier" Kontrahenten antreten müsse. "Ein bisschen weinerlich, Herr Lucke", wie CDU-Mann Spahn genüsslich kommentierte.
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Den Schlusspunkt setzte Günther Jauch selbst. Er ließ die Facebook-Seite Luckes einblenden auf der Lucke schreibt: "Ich halte die Forderungen der Pediga für legitim, was nicht alle teilen werden." Das klingt nicht eben nach Differenzierung und Abgrenzung von fremdenfeindlichen Tönen. Darauf Lucke händeringend: "Man hat manchmal Mitarbeiter, die schreiben Dinge auf, die..." Der Rest ging im Gelächter des Publikums unter. Bernd Lucke fand es offenbar nicht besonders lustig. Noch während der Abspann der Sendung lief, sprang er aus seinem Stuhl und entschwand vom Podium. Nicht festzuhalten. Fast wie ein Gespenst.