Essen. Muslime in Deutschland haben es derzeit nicht leicht, das machte die Talkrunde “Hart, aber fair“ einmal mehr klar: Ihr Glaube steht bei vielen Menschen unter Verdacht, Nährboden des Salafismus zu sein - obwohl stets betont wird, dass die Mehrheit der Gläubigen nichts mit Terror zu tun haben will.

Der Islam und mit ihm die Muslime haben in Deutschland derzeit ein Glaubwürdigkeitsproblem – und das bereitet vielen Menschen Sorge: Denn man sieht im Internet die inszenierten Gräuel-Bilder der IS-Terroristen aus dem Irak und Syrien, man weiß, hunderte junge Männer mit deutschem Pass sind dort und beteiligen sich mutmaßlich an Massakern, Massenvergewaltigungen und Enthauptungen, man sieht Salafisten in den Innenstädten offen für ihre radikale Interpretation von Religion werben - und muss im Umkehrschluss voraussetzen: Ja, auch die würden im Zweifel und im Namen Allahs die hiesigen Ungläubigen enthaupten. Als Beweis für diese Annahme stehen die vielen islamistisch motivierten Anschläge und Anschlagsversuche in Europa der vergangenen Jahre.

Gleichzeitig muss man aber auch annehmen, dass die Mehrheit der hier lebenden Muslime weit entfernt ist von solchen religiösen Exzessen. Sie wollen in Frieden leben, arbeiten, ihre Kinder aufziehen.

Ein Glaube unter Generalverdacht

Die Vertreter der islamischen Verbände werden nicht müde, zu beteuern, dass die IS-Terroristen nichts mit dem friedliebenden Islam der großen Mehrheit zu tun haben. Aber - und das ist eben auch Fakt: Die Terroristen berufen sich auf den Islam. Und deswegen steht dieser Glaube derzeit unter Generalverdacht, der auch im Titel des montäglichen Talks „Hart, aber fair“ mitschwang: Deutschland und Islam – wie passt das zusammen? Gar nicht, lautete die per Mail eingesandte mehrheitliche und offenbar sehr harsche Zuschauermeinung. Und genauso unversöhnlich startete die Gesprächsrunde: Moderator Frank Plasberg hatte schwer zu rudern, um die Debatte in einigermaßen sinnvolle Bahnen zu lenken.

Der Reflex lautet: Das hat mit uns nichts zu tun

Denn die Vertreter der großen Mehrheit der Muslime sind es längst leid, dass sie sich ständig rechtfertigen müssen für ihren Glauben und sich ständig distanzieren sollen von etwas, mit dem sie gefühlt nichts zu tun haben. Dass sie ständig erklären sollen, wieviel Terror denn im Islam angelegt ist. Aiman Mayzek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland und Özlem Nas vom Vorstand der muslimischen Gemeinden Hamburgs verfallen denn auch reflexhaft in die beleidigte Abwehrhaltung gegen die insistierenden Fragen nach Toleranzdefiziten im Islam. Tenor: Das ist nicht unser Glaube.

Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Wolfgang Huber, verwies im Konter darauf, dass die christliche Kirche erst durch die Phase der Aufklärung und Läuterung gehen konnte, weil sie sich eingestanden hat, dass die Gräueltaten der Kreuzzüge und der Hexenverbrennungen in ihrem Namen geschehen ist. Vor der Läuterung stand also die Erkenntnis und das Eingeständnis: Religion kann ins Böse führen.

Unehagen über fehlende Trennschärfe

Die Frage des Abends lautete: Was erwarten die Nicht-Muslime von den Muslimen in der jetzigen Situation? Darf man etwas erwarten? Laut einer Statistik, die in der Sendung eingeblendet wurde, zweifelt eine große Bevölkerungsmehrheit an der öffentlichen Distanzierung der großen Islamverbände und unterstellt damit eine gewisse religiöse Nähe zu den Terroristen. Festgemacht wird dies (wie auch in der Debattenrunde) an den Themen Gleichberechtigung von Mann und Frau, Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben, Akzeptanz der Religionsfreiheit. Das Unbehagen entspringt der fehlenden Trennschärfe: Wo beginnt der radikale Islam? Denn radikale Salafisten gehen deutschlandweit in den Moscheen ein und aus.

Und was davon sind wir umgekehrt bereit, kann eine freiheitlich-demokratischen Grundordnung mittragen, ohne sich zu verleugnen. Exemplarisch wurde kurz in der Runde ein mögliches Burka-Verbot diskutiert.

Es ist wahr, die große Mehrheit der Muslime hat es derzeit nicht leicht: Sie werden von den radikalen Islamisten in einen Konflikt hinein gezogen, der nicht ihrer ist.

Eine mutige Frau hat ein Zeichen gesetzt

Andererseits – und an dieser Stelle setzten auch die Forderungen der Nicht-Muslime in der Talkrunde an: Wo ist in Deutschland eine Stimme, wie die der jordanischen Königin Rania die in einer bemerkenswerten Rede jüngst die Muslime dazu aufgerufen hat, gegen den religiösen Extremismus, der seine Wurzeln in Saudi-Arabien hat, anzugehen. Die Araber müssten aufstehen und gegen diese Extremisten um ihren Glauben kämpfen, sagte die Königin: "Eine kleine Minderheit nutzt die sozialen Medien, um unsere Geschichte umzuschreiben, unsere Identität zu kidnappen und uns zu diskreditieren", so Rania. "Die Extremisten sind abnorm und abstoßend und müssten jeden Araber kochend vor Wut machen." Stattdessen jedoch würden zu viele Araber zu den Vorgängen in Syrien und Irak schweigen. Aber wer schweige, der mache sich zum Mittäter. „Entweder entwickeln wir unsere Region oder wir lassen andere sie zerlegen.“ Auf ein ähnliches Schlusswort hoffte man auch in der Talkrunde vergeblich.