Graz. . In der vorletzten “Wetten, dass..?“-Sendung reizt Markus Lanz noch mal alle Moderationsfehler aus. Seinem Mangel an Schlagfertigkeit stand Trittsicherheit bei Fettnäpfchen gegenüber. Die Stars auf der Couch schämen sich, die Wetten funktionierten trotzdem.
"Wetten, dass..?", so wie es Markus Lanz an diesem Samstagabend aus Graz moderierte, ist eine Show, die nicht mehr in die Zeit passt. Vor einigen Jahren, als ein bewegliches Riesen-Sofa noch etwas Besonderes war, die Zuschauer voller Ehrfurcht nickten, wenn es hieß, ein Hollywoodstar müsse jetzt „seinen Flieger erwischen“ und die Wetteinsätze noch ein bisschen weh taten – da war "Wetten, dass..?" perfekte Abendunterhaltung: Musik, Stars, normale Leute mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, ein bisschen Small Talk, große Autos, peinliche Witze, bunte Krawatten. Zum Schluss konnte man für seinen Favoriten anrufen, am nächsten Tag hatte man etwas, worüber man sich unterhalten konnte.
In der vorletzten Show, "Wetten, dass..?", die Markus Lanz – wegen einer verlorenen Wette in Erfurt – am Samstagabend in Lederhosen moderierte, fehlte vor allem eines: Small Talk, bei dem man entspannt weghören kann und doch, wenn man denn mal zuhört, ein gutes Gefühl bekommt.
Lanz' ungeschicktes Gespräch mit Conchita Wurst
Bei Lanz dagegen scheint eine Stimme im Kopf mitzulaufen. Immer dann, wenn er spürt, dass seine Fähigkeiten als Moderator gefordert sind, dass er etwas fragen, auffangen, abfedern müsste, flüstert sie ihm zu, was er jetzt auf keinen Fall sagen sollte – und genau das spricht er dann aus.
Anders ist es nicht zu erklären, dass er nach einem halbwegs unfallfreien Gespräch mit einer wunderbar ehrlichen, entspannten Conchita Wurst resümiert, sein Gast „stelle unsere Toleranz auf die Probe“. Um wieder etwas freundlicher zu klingen, fügt Lanz schnell ein Kompliment an. Und zwar: Man könne es mit Conchita Wurst „gut aushalten“.
Auf Twitter, wo Lanz und "Wetten, dass..?" ohnehin schlechte Karten haben, wird hart kritisiert.
Conchita lächelt weiter. Erst im Laufe des langen Abends, den sie neben Lanz auf der Couch erdulden wird, friert ihr Gesicht langsam ein.
Schlagfertigkeit? Markus Lanz ist nicht Thomas Gottschalk
Der australische Schauspieler Liam Hemsworth, der zusammen mit Kollegin Jennifer Lawrence eingeflogen ist, schaut von Anfang an versteinert und ungläubig auf das, was sich ihm bietet. Nach einigen unergiebigen Fragen (Wie gefällt Ihnen Österreich? Wie war es, Jennifer Lawrence im Film zu küssen?) hat Lanz ein ganz heißes Eisen im Feuer: Hemsworths Mutter. Die nämlich, „das wissen nur wenige“, ist Lehrerin. Frage an Hemsworth: Stimmt das? Jawohl, der Australier bestätigt prompt, seine Mutter, eine Lehrerin. Lanz aber ist noch nicht am Ziel, noch lange nicht. Welche Fächer seine Mutter denn unterrichtet habe, will er von Hemsworth wissen. Und ob auch er einmal Unterricht bei seiner Mutter hatte?
Fragen wie diese sind es, die schließlich zum Ziel führen: Lanz erfährt, dass Hemsworth bei seiner Mutter Aufklärungsunterricht hatte – „Bienchen und Blümchen“ also, um in der Sprache des Moderators zu bleiben. Ein paar Übersetzungsprobleme später hat sich Jennifer Lawrence, vermutlich aus Mitleid, in das Gespräch eingeschaltet. Jetzt erfährt man von Hemsworth eine wirkliche nette Geschichte: Im Aufklärungsunterricht seine Mutter wurden sexuell übertragbare Krankheiten vorgestellt, jeder Schüler bekam ein Kärtchen mit einer Infektion.
Chlamydien stand auf Hemsworths Zettel. Jennifer Lawrence, die zu dem Zeitpunkt noch versucht, für gute Stimmung zu sorgen, klatscht begeistert in die Hände: „Your mother gave you chlamydia“ (Deine Mutter hat dich mit Chlamydien angesteckt). Man stelle sich vor, was ein guter Moderator aus so einer Steilvorlage gemacht hätte. Lanz dagegen sagt, er würde jetzt gern „den Deckel drauf tun, auf dieses Thema“. Es sei wohl besser, nicht weiter darüber zu sprechen. Dass er das Thema erst fünf Minuten lang aufgebaut hat – geschenkt.
Auf Twitter wird der Witz dagegen sehr wohl registriert:
"Wetten, dass..?"-Zuschauer sorgen sich um Deutschlands Ruf im Ausland
Das wirklich zentrale Thema an diesem Abend aber ist: Jennifer Lawrence ist krank. Gestern fühlte sie sich noch gut, heute aber hat sie ein Stechen im Hals, angesteckt vielleicht, auch ein Schauspielkollege hat Halsschmerzen. „Ich darf sie nicht anfassen“, klagt Lanz schon zur Begrüßung. Eckart von Hirschhausen gibt Lawrence in seiner Eigenschaft als Arzt wertvolle Tipps: „viel trinken!“ Auch sonst hat der Schriftsteller und Mediziner stets einen Spruch parat – zwischendurch glaubt man fast, Hirschhausen habe die Moderation übernommen. Besser wurde sie dadurch nicht.
Jennifer Lawrence bleibt ihrer Krankheit fast eine Stunde lang treu. Sie hält alle von sich fern, empfiehlt jedem, der ihr doch die Hand gegeben hat, diese zu waschen – und hat dann auch bald die perfekte Gelegenheit, die Show zu verlassen. Davor allerdings verziert sie Torten mit Sahne, nachdem ein Mann, der mit Saltos auf einen Bierkistenturm steigen wollte, gescheitert ist. Was für eine Strafe, was für ein Einsatz: Kuchen mit Sahne verzieren.
Auf Twitter sorgen sich die User vor allem um den Ruf, den Deutschland im Ausland bekommt. Die Talkshow-Auftritte bei denen Stars wie Tom Hanks über ihre Erfahrungen bei "Wetten, dass..?" berichten, sind legendär. Schon jetzt tuscheln sich Lawrence und Garner immer wieder etwas zu.
Toni Garrn als Lückenbüßer für One Directíon
Auch Hugh Grant und Toni Garrn hätten nach den Stunden bei Lanz wohl einiges zu berichten. Das junge Model wird erst einmal, fast ohne Begrüßung, als Lückenbüßer für die Boyband One Direction, die dann aber doch spielen, reingeholt. Ihr Interview geht im Kreischen der Fans unter. Garrn sagt erstaunt: „die gehen jetzt alle“, gibt Lanz ein bisschen Contra, aber dann auch wieder eine Steilvorlage für ein Fettnäpfchen. Es geht um Afrika, Spendenaktionen, die Kinder dort und wie sie weinen, wenn sie zum ersten Mal eine Weiße sehen. Dass Lanz von „kleinen schwarzen Menschen“ spricht, kommt auf Twitter nicht besonders gut an. Geschenkt.
Sein herausragendes Talent, Situationen so zu zerschmettern, dass sich danach jeder irgendwie unwohl fühlt, stellt Lanz dann bei einer klassischen Lehrbuch-Szene unter Beweis. Ein junger Mann namens Milan wendet sich nachdem er seine Wette gewonnen hat – Gurken zerteilen mittels schneidig geworfener Spielkarten – an seine Freundin: „Schatz, es wird Zeit, dass wir heiraten“. Lanz bittet die Frau auf die Bühne, wo dann erst mal Stille herrscht. Als ihr Freund gerade auf die Knie gehen will, herrscht Lanz sie an: „Sag' einfach nur ja oder nein“.
Dass die Frau tatsächlich noch ja sagte, gehört zu den größten Überraschungen des Abends.
Die einzigen Gäste, mit denen Lanz problemlos zu Recht kam, waren Mirjam Weichselbraun, die später auch die Stadtwette moderierte und Andreas Gabalier. Der österreichische Volksmusiker, der bevorzugt in hautengem Hirschleder auftritt, ließ sich in Graz per stage diving von einer Bühne zur anderen tragen, was für jeden, der schon mal ein größeres Konzert besucht oder im Fernsehen verfolgt hat, einigermaßen langweilig war. Lanz immerhin freut sich über die schönen Bilder – und die Grazer freuten sich: über die schöne Gelegenheit, an einem Samstagabend zusammen zu kommen. Die Stimmung auf dem Platz zumindest erinnerte an den "Wetten, dass..?"-Spirit früherer Zeiten.
Unter-Wasser-Memory-Wette als verdienter "Wetten, dass..?"-Sieger
Hugh Grant musste Brot mit Meerrettich darauf essen. Herbert Grönemeyer und Iris Berben waren - vermutlich zum dreißigsten Mal - auf dem "Wetten, dass..?"-Sofa zu Gast. Eine Frau erkennt Websites an ihrem QR-Code. Ein junger Franke namens Christian schafft es, sich gigantisch viele Bilder zu merken und sie, nach dem Memory-Prinzip, unter Wasser zu Pärchen zusammen zu sortieren. Er wird, hochverdient, Wettkönig - knapp vor einer "Wetten, dass..?"-typischen Bagger-Wette. Und genau wie der Mann mit den Gurken hat Christian Heiratspläne – seine Verlobte und er freuen sich nun über 50.000 Euro.
Und auch für alle anderen besteht Grund zur Freude: Die nächste Wetten-Dass-Sendung ist die letzte. Dass Lanz an diesem vorletzten Samstag noch einmal um 30 Minuten überzog, scheint wie ein Sinnbild für die ganze Sendung: Ihre Zeit ist längst um, was offenbar auch der Blick auf die TV-Quote zeigt. Leider machen sie trotzdem noch weiter.