Essen. Bei “Wetten, dass..?“ erkennen Kandidaten Massage-Öle am Schmatzen und Kühe am Geschmack ihrer Milch: Das ist nicht spektakulär, aber Familienshow-tauglich. Ist Comedienne Ilka Bessin als “Cindy aus Marzahn“ das auch? Moderator Markus Lanz präsentierte die “Prinzessin der Plattenbauten“ als Assistentin.

Eine Mutmaßung: Vielleicht liegt es ja an der Trauer um die gute alte Zeit. Eine Zeit, in der klar war, dass Samstagabend ist und alles im Lot, wenn die ersten Töne der Eurovision aus dem Fernseher tönten. Damals, als „Wetten, dass?“ irgendwie zur Familie gehörte. Und weil gute, alte Zeiten gemäß ihrer Natur stets abgelöst werden von neuen Zeiten, in denen alles schwieriger zu sein scheint, nehmen die Kritiker ihm, dem Neuen, einfach alles übel. Zu hölzern sei er, der Lanz, und seine Witze altbacken. Nicht so lustig gekleidet wie sein Vorgänger Gottschalk, und überhaupt: nicht wie der Gottschalk. Dass er das nicht verdient hat, hat Markus Lanz bei seiner vierten "Wetten, dass..?"-Ausgabe am Samstag in Offenburg gezeigt.

Es war vielleicht die bislang schwierigste. Der Gottschalksche Schleichwerbeverdachts-Skandal klebt so unangenehm am Etikett der Sendung wie die Erinnerung an verstörte Weltstars wie Halle Berry und Tom Hanks mit Katzenmütze. Die Hollywood-Größen hatten im Nachgang der Dezemberausgabe übel über „Wetten, dass?“ hergezogen. Die Revanche gab es Samstag – noch vor der Titelmelodie: Markus Lanz setzte Stargast Denzel Washington in der Garderobe eben jene Mütze auf den Kopf, die Hanks damals so erzürnte. Nein, die stehe wohl besser dem Schauspielkollegen, ließ Washington wissen. Ja, das Ganze hatte wenig Spontanes, war schlicht ein gespielter Witz, der aber Selbstironie zeigte. Irgendwie sympathisch.

Eis am Stiel am FKK-Strand - Lanz quält Schweighöfer mit plattem Witz

Und das ist vielleicht das Stichwort: Neu erfunden haben sie das Samstagabendshow-Rad nicht beim ZDF. Mutlos kann man das nennen. So einiges aber ist inzwischen am Format sympathischer, als es zumindest in den späten Gottschalk-Zeiten war. Nehmen wir die Wetten, die nicht mehr nur lästiges Beiwerk sind, sondern wieder im Mittelpunkt der Sendung stehen: Die Wettpaten kommen zusammen mit den Kandidaten, die in kleinen Einspielfilmchen vorgestellt werden, in den Saal. Schauspielerin Christiane Hörbiger hatte sich gestern gar im Vorfeld mit den österreichischen Kindern getroffen, die wetteten, dass sie die Milch von 20 Kühen anhand des Geschmacks den einzelnen Tieren zuordnen können (sie konnten es tatsächlich).

Neu am Konzept ist auch: Der Moderator spricht mit seinen Gästen. Also sprechen im Sinne von ein Gespräch führen, und eben nicht herumfloskeln, wie es zuletzt sein Vorgänger pflegte. Nein, man musste es gestern zwar nicht lustig finden, als Lanz den Wettpaten und Schauspieler Matthias Schweighöfer fragte, ob er denn am FKK-Strand vornehmlich Eis am Stiel gegessen habe. Und es kratzte scharf an der Peinlichkeit, als er die Gäste unterbrach, nur um den merkwürdig bemantelten Koch Horst Lichter, der zusammen mit Andrea Kiewel die Kuhwette begleitete, zu fragen: „Wieviele Yetis mussten für deinen Mantel sterben?“ Alles in allem: Tiefgründige Gespräche gab es auch gestern nicht auf der Couch – aber „Wetten, dass?“ ist auch kein Talkformat, sondern eine Unterhaltungssendung.

Amateurwrestler semmelt Lanz auf die "Wetten, dass..?"-Matte

Und unterhaltsame Momente gab es durchaus: Etwa, als jener leicht schräge Amateurwrestler erst Lanz auf die Matte semmelte und dann wettete, Massageöle anhand haptischer und akustischer Eigenschaften den Herstellern zuordnen zu können, über die „verschiedenen Schmätze“ von Ölen philosophierte. Und erklärte: „Erotiköle bremsen nicht.“ Komiker Ralf Schmitz hatte seinen Spaß.

Überhaupt: Die Wetten waren alle wenig spektakulär, aber oder vielleicht eben deshalb gut: Sei es die des Akrobaten, der auf einem Laufband Flick-Flacks in Akkord hinlegte – und sogar Schweighöfer zu einem Überschlag-Versuch animierte. Oder die Wette des Kandidaten, der anhand von Ploppgeräuschen auf den Milliliter genau hörte, wie voll Flaschen sind – er wurde Wettkönig.

Cindy aus Marzahn fasst bei "Wetten, dass..?" Denzel Washington ins Gesicht

Und ja, auch Cindy aus Marzahn, der neue und überaus pinke „Wetten, dass?“-Sidekick, hatte ein, zwei gute Momente. Ihr glitzerndes Kleid sei ja von Osram, verkündete sie – „Schon wieder Schleichwerbung“, konterte Lanz. Auch schön, als Cindy – völlig respektlos und deshalb sympathisch – Oscarpreisträger Denzel Washington unvermittelt mit der Hand übers Gesicht fuhr: „Sie haben da so Fusseln.“ Washington wiederum löste seinen Wetteinsatz ohne zu Murren ein und verteilte Brezeln in einem nahen Kinosaal an überraschte Zuschauer. Auch nach der Hanks-Affäre ist Hollywood offenbar weiterhin vertreten und mit Caligola und der britischen Sängerin Leona Lewis internationale Musiker auf der Bühne.

Alles in allem: Ja, Markus Lanz trägt langweilige graue Anzüge, liebt den platten Witz und das Format ist und bleibt ein bisschen spießig. Und dennoch fühlte sich die gestrige "Wetten, dass..?"-Sendung ein wenig so an wie eine Show, die im ein oder anderen Wohnzimmer vielleicht bald wieder fast zur Familie gehören könnte.