Düsseldorf/Essen. . NRW-Casinos horten Kunst im Wert von mehreren Millionen Euro in ihren Depots. Doch der Umgang mit diesen Kunstwerken ist alles andere als vorbildlich, kritisiert eine Expertin. Im Streit um den Verkauf zweier Warhol-Gemälde hat die rot-grüne Landesregierung jetzt dem Casino-Betreiber Westspiel den Rücken gestärkt.

Der umstrittene Verkauf der millionenschweren Werke „Triple Elvis“ und „Four Marlons“ von Andy Warhol durch die landeseigene Casino-Betreibergesellschaft Westspiel ist von der rot-grünen Landesregierung ausdrücklich abgesegnet worden. Der Verwaltungsrat der NRW-Bank unter dem Vorsitz von Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) habe der Veräußerung der Bilder zugestimmt, bestätigte eine Banksprecherin auf Anfrage.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte sich bislang öffentlich nur distanziert zu der für den 12. November bei Christie’s in New York angesetzten Auktion geäußert. Die Casino-Tochter Westspiel müsse als „rechtlich selbstständiges, bilanzierendes und wirtschaftlich agierendes Unternehmen“ notwendige Investitionen auch aus eigenen Vermögenswerten bestreiten, hatte Kraft auf ein Protestschreiben von 26 Museumsdirektoren geantwortet.

Fraktionschef Priggen trieb Verkauf voran

Grünen-Landtagsfraktionschef Reiner Priggen stellte sich am Mittwoch dagegen klar hinter die Verkaufsentscheidung: „Sieben Jahre lagen die Bilder im Tresor, und keiner hat sie vermisst.“ Auch die jetzt so erregte Kunstszene habe sich nicht daran gestört, dass wertvolle Werke „im Zusammenhang von Rauchen, Trinken und Spielen ausgestellt wurden“ oder plötzlich verschwunden waren. Priggen bekannte sich dazu, sogar Gespräche zum Verkauf der Warhol-Werke mit Finanzministerium und NRW-Bank forciert zu haben, nachdem vor drei Jahren der Betriebsratschef des Aachener Casinos ernste Sorgen um 100 Arbeitsplätze bei dem angeschlagenen Spielbankbetreiber vorgetragen hatte.

Derweil schlagen die Wellen im Streit um den Verkauf der beiden Warhol-Werke immer höher. Nachdem Kultur-Staatsministerin Monika Grütters (CDU) die geplante Versteigerung „unanständig“ nannte, wurde nun bekannt, dass einige Werke in der Aachener Spielbank, in der auch die beiden Warhol-Bilder hingen, schwer beschädigt und sogar auf den Müll geworfen wurden.

Macks „Lichtregen“ wurde bei Renovierung entsorgt

Dabei handelt es sich zum einen um einen 1976 für 100.000 D-Mark angeschaffter, 13 Meter hoher „Lichtregen“ von Heinz Mack, der im Foyer des Casinos von der Decke hing; das komplizierte Werk mit 7000 Leuchten habe sich bei der Renovierung des Aachener Casinos 2003 als „irreparabel“ erwiesen und sei unter Einbeziehung von Kunst-Sachverständigen „entsorgt“ worden, bestätigte ein Sprecher der Westspiel gegenüber dieser Zeitung: „Es gab keine Reparatur-Option“. Ein weiterer Warhol-Druck aus einer „Marilyn“-Serie mit zehn Exemplaren sei ebenfalls von einem Handwerker bei einem „Unglück“ so beschädigt worden, dass er nicht mehr zu restaurieren gewesen sei – man habe einen neuen Marilyn-Druck gekauft, um den zerstörten zu ersetzen, sagte Westspiel-Sprecher Christof Schramm.

Verlust von acht Millionen Euro

Die Düsseldorfer Kunstberaterin Marianne Pannen, die in den 1970er-Jahren an der Anschaffung der Casino-Kunst für insgesamt 1,5 Millionen Mark beteiligt war, warf der Westspiel GmbH in der Rheinischen Post „Vandalismus“ vor, bei vielen Bildern hätten „Zigarettenrauch und Milchspritzer die Firnis“, also die wasserabweisende Schutzschicht der Gemälde, „beschädigt“. Westspiel-Sprecher Schramm betonte: „Die Werke werden gepflegt, wenn auch nicht auf dem Niveau eines Museums.“ Sie seien zuletzt 2008 von Restauratoren begutachtet worden.

Für die Pflege der Werke ist aber immer weniger Geld da. Vorbei die Zeiten, als die Casinos noch Gelddruckmaschinen waren. Heute, da Roulette und Black Jack nicht mehr zu den Lieblingssportarten der Hautevollee zählen, heimst die Konkurrenz im Internet Milliarden-Umsätze ein. Heillos veraltete Casinos wie Aachen gucken erst recht in die Röhre, 2012 lief ein Verlust von 8 Millionen Euro auf. Aachens Umbau zu einem modernen Casino mit dem schnelleren Amerikanischen Roulette (nach Vorbild der Duisburger Spielbank) soll durch den Verkauf der Warhol-Bilder finanziert werden.

Westspiel beabsichtigt keine weiteren Verkäufe

Im Besitz der Westspiel sind derzeit 235 Kunstwerke, einige hängen noch in den Casinos, viele allerdings lagern im Depot. Ihr Wert wurde 2012 auf insgesamt 6 Millionen Euro geschätzt; von diesen Werken will die Westspiel derzeit keines mehr verkaufen. Die beiden Warhol-Bilder dagegen sind bei Christie’s mit 130 Millionen Dollar taxiert, etwa 102 Millionen Euro. Die Preise für Warhols Werke sind in jüngster Zeit geradezu explodiert. Sie jetzt zur Auktion zu geben, ist ein Vabanque-Spiel, die Spitze der Wertentwicklung dürfte noch nicht erreicht sein.

Die Westspiel GmbH

Die einstmals hoch profitable Westspiel betreibt die staatlichen Spielcasinos in Aachen, Dortmund-Hohensyburg, Duisburg, Bad Oeynhausen, Erfurt, Bremen und Bremerhaven.

Die GmbH befindet sich zu 100 Prozent im Besitz der landeseigenen NRW-Bank und führt die Spielgewinne an den Landes-Finanzminister ab.

26 führende NRW-Museumsdirektoren hatten mit einem Offenen Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft energisch gegen den Verkauf der Warhols protestiert. Sie befürchten einen „Dammbruch“ und forderten, die Westspiel-Sammlung auf die NRW-Museen zu übertragen. Allerdings hat in den letzten 40 Jahren kein einziges von ihnen darum gebeten, einen der kostbaren Warhols auszuleihen zu dürfen.