Essen. . Der Onlinekonzern will Dumpingpreise. 909 US-Autoren von Paul Auster bis Stephen King wehren sich mit einem Offenen Brief an die Leser. 50 Prozent Rabatt statt 30 - der Versandriese setzt mit seiner Marktmacht im Online-Handel zurzeit auch deutsche Verlage unter Druck.

Es dürfte nicht allzuoft vorkommen, dass sich eine intellektuelle Speerspitze wie der deutsche Polit-Grafiker Klaus Staeck und ein notorischer Bestseller-Schmied wie Stephen King in einer großen Koalition wiederfinden. Vereint hat die beiden aber nun der Internet-Riese Amazon – als gemeinsamer Gegner.

„Nie wieder Amazon“ ist auf den neuesten Plakaten von Staeck in Berlin zu lesen, wo er ja auch Präsident der Akademie der Künste ist. Und Stephen King hat am Wochenende zusammen mit 908 Kollegen von Paul Auster bis Nora Roberts einen offenen Brief an ihre Leser in der „New York Times“ – sie sollten Amazon-Chef Jeff Bezos bitten, die Autoren nicht länger zu Geiseln zu machen in seinem Kampf mit den Verlagen.

Durchschnittspreis: 7.58 Euro

Verfasst hat diesen Brief der Bestsellerlisten-Stammgast Douglas Preston, der feststellen musste, dass der Umsatz seiner Bücher seit drei Monaten auf weniger als die Hälfte zurückgegangen ist. Schuld ist Amazon. Der Internet-Riese, der 1995 als Online-Buchhändler begann, verzögert die Auslieferung von Büchern, um Verlage unter Druck zu setzen: Sie sollen, in den USA wie in Deutschland auch, ihre E-Books mit höheren Rabatten als bisher an Amazon verkaufen.

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Die weitaus meisten E-Books hierzulande (87 Prozent) sind billiger als das gedruckte Buch – und jedes zweite davon ist sogar um mehr als 20 Prozent billiger als die Druckfassung. Der Durchschnittspreis für deutsche E-Books sank innerhalb von drei Jahren von 10,71 Euro auf 7,58 Euro.

Amazon dagegen argumentiert, die Bücher müssten billiger werden, weil sie mit anderen Medien wie Spielen, Fernsehen, Filmen oder Facebook konkurrieren. Dazu will allerdings nicht recht passen, dass Amazon nun auch den Film-Konzern Disney unter Druck setzt: Am Wochenende waren Video-Neuerscheinungen wie der zweite „Captain America“-Film, „Maleficient“ und der jüngste „Muppets“-Streifen in den USA nicht auf DVD oder Blu-ray vorbestellbar. Der Filmkonzern Time Warner war zuvor unter ähnlichem Druck eingeknickt und hatte die Preise gesenkt.

Um seine niedrigen Einkaufspreise zu rechtfertigen, stellt Amazon die These auf, dass sich billigere Bücher besser verkaufen – und zwar so gut, dass die Einnahmen für Händler, Verleger und Autoren am Ende sogar noch steigen könnten. Das würde allerdings voraussetzen, dass Amazon seine niedrigen Einkaufspreise an die Kunden weitergeben würde. Ob das so sein wird, steht dahin.

In Deutschland profitiert Amazon jedenfalls von der Buchpreisbindung. Mit seiner Übermacht auf dem Online-Markt (dort kontrolliert Amazon 75 Prozent) kann der Internet-Riese seine Bücher bei den Verlagen mit wesentlich höheren Rabatten kaufen als alle anderen Buchhändler und -ketten. Der Gewinn allein durch diesen Umstand wird auf 500 Millionen Euro geschätzt.

Verzögerte Auslieferung, keine Vorbestellungen

Um niedrige Einkaufspreise für digitale Bücher durchzusetzen, liefert Amazon die Bände von Douglas Prestons US-Verlag Hachette nur noch mit einer Verzögerung von bis zu acht Tagen aus (darunter auch J.K. Rowlings neuer Krimi „The Silkworm“ („Die Seidenraupe“), Vorbestellungen werden gar nicht mehr angenommen. Und der Druck ist gewaltig. Auf die Einnahmen durch Amazon zu verzichten, würde die meisten Verlage in ihrer Existenz bedrohen.

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Ähnlich geht der Online-Buchhändler in Deutschland gegen die Bonnier-Gruppe vor, zu der Verlage wie Ullstein, Piper und der Comic-Spezialist Carlsen gehören. Auch deren Bücher werden nur noch mit Verzögerung ausgeliefert – damit Bonnier bei den Preisen für E-Books einknickt. Amazon verlangt Medienberichten zufolge statt der branchenüblichen 30 Prozent nun Rabatte zwischen 40 und 50 Prozent des Verkaufspreises.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Dachverband der Händler und Verlage, reichte Ende Juni Beschwerde beim Bundeskartellamt ein, wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. „Amazon verstößt mit seinem erpresserischen Vorgehen gegenüber Verlagen gegen das Kartellrecht“, sagte Börsenvereins-Geschäftsführer Alexander Skipis. Sollte die Bundesbehörde zu dem Schluss kommen, dass es sich um einen Kartellrechtsverstoß handelt, wäre Amazon gestoppt. In Deutschland. Einstweilen.