Hagen/Bayreuth. . Johan Botha gibt eigentlich keine Interviews. Für unsere Redaktion macht der Star-Tenor, der derzeit als Siegmund in Richard Wagners “Walküre“ in Bayreuth gefeiert wird, aber eine Ausnahme. Weil Hagen für ihn das Sprungbrett war - und er gerne mal ans Hagener Theater zurückkommen würde.

Johan Botha ist ein Startenor ohne Starallüren. Interviews gibt der weltweit gefragte Sänger eigentlich nie. Aber für unsere Zeitung macht er eine Ausnahme. Denn in Hagen und Dortmund hat die internationale Karriere des südafrikanischen Künstlers begonnen. Wir treffen Botha in Bayreuth, wo er als Siegmund in Richard Wagners „Walküre“ gefeiert wird.

Haben Sie Lampenfieber, wenn Sie auf die Bühne gehen?

Johan Botha: Habe ich nicht. Ich singe für mein Leben gerne, darum mache ich das auch, und darum bin ich da, und wenn man etwas für sein Leben gerne macht, dann hilft es überhaupt nicht, Angst zu haben. Ich habe meinem Vater mit fünf Jahren erzählt, dass ich Opernsänger werde und mit zehn angefangen, Gesangsunterricht zu nehmen, und seitdem lebe ich meinen Traum. Welcher Mensch kann heute sagen, dass er seinen Traum lebt und noch dafür bezahlt wird?

Und vom Publikum geliebt wird…

Botha: Es freut mich, wenn ich etwas geben darf. Für mich ist das keine selbstverständliche Sache. Denn man arbeitet auf einen gewissen Punkt hin und versucht immer, etwas Neues zu finden, auch in der Musik, um neue Farben hineinzubringen, und das ist für mich das Wichtigste in der ganzen Arbeit.

Als Laie fragt man sich, wie Wagner-Sänger diese Riesenpartien körperlich überhaupt durchstehen?

Botha: Wir trainieren diese Ausdauer, und darum sieht man vielleicht so aus wie ich. Ich kann am Tag einer Vorstellung nichts essen. Und am Abend, wenn man fleißig gesungen hat, hat man natürlich einen Mordshunger. Ich studiere zurzeit den Tristan ein, und da muss ich im dritten Akt fast 45 Minuten lang einen Monolog singen, der nicht nur schwer ist, sondern auch teilweise recht verwirrend. Und dann muss man bedenken, dass man zu dem Zeitpunkt schon zwei Akte hinter sich hat. Das ist genauso mit Tannhäuser. Aber ich glaube, dass gerade wir Heldentenöre gar nicht darüber nachdenken. Denn wenn man zuviel darüber nachdenkt, dann wird es auch schon gefährlich. Heute ist es nicht mehr selbstverständlich, Freude an seinem Beruf zu haben. Aber wir Sänger, wir schaffen etwas. Und ich glaube, dass diese Freude am Schaffen uns dazu treibt, diese langen Werke durchzustehen.

Was macht denn einen guten Heldentenor aus? Das ist ja sehr umstritten.

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Botha: Ursprünglich komme ich aus dem Bassbaritonfach. Und dann ist meine Stimme von selbst in die Höhe gegangen. Aber ich habe immer diese Bassbaritonlage behalten. Dadurch ist die Farbe meiner Stimme geprägt, und aus diesem Grund wurde aus mir ein Fachmann für das Helden-Repertoire. Was braucht ein Heldentenor? Er braucht den Mut. Er braucht die Kondition, und er muss von seiner Technik genau wissen, was er seiner Stimme abverlangen kann und wie.

Viele Sänger versteht man so schlecht.

Botha: Ein Sänger muss zuerst den Text begreifen, den er singt. Deshalb braucht ein Wagner-Tenor auch eine wirkliche Kenntnis der deutschen Sprache, auch der altertümelnden deutschen Sprache, die Wagner benutzt. Auch deutsche Kollegen müssen das oft erst lernen.

Sie sind ein Tenor der hohen Töne?

Botha: Ja. Ich war als Kind ein ganz hoher Knabensopran, ich habe die Königin-der-Nacht-Arie gesungen, um die Soprane zu ärgern. Ich konnte jeden hohen Ton mitsingen. Und ich habe immer noch eine hohe Falsettstimme. Ich habe immer Wert darauf gelegt, mit und an der Stimme weiter zu arbeiten. Nicht zuletzt dadurch habe ich das Glück, dass ich immer noch ein hohes C und D singen kann. Ich bin einer der wenigen Tenöre, die sich freuen, wenn es in die Höhe geht.

Ihre Beziehung zu Richard Wagner ist lebenslänglich?

Botha: Als meine Stimme sich ins Tenorfach hinein bewegte, hat meine Lehrerin gesagt: Johan, Du hast die richtige Voraussetzung, um ein Wagner-Tenor zu werden. Man wird nicht als Wagner-Sänger geboren. Man verliebt sich in diese Musik.

Sie sagen, Sie arbeiten am Tristan. Wird es bald ein Rollendebüt geben?

Botha: Ja. Das ist für 2017 geplant.

Wenn man den Tristan singt, kann man dann zum Lohengrin zurück?

Botha: Das Problem ist ein anderes, ähnlich wie derzeit beim Tannhäuser. Alle Opernhäuser der Welt graben jetzt ihre alten Tannhäuser-Produktionen aus oder machen neue und halten mich da sehr auf Trab. Man will nicht jedes Mal Nein sagen, aber ich kann auch nicht nur Tannhäuser oder Tristan singen. Das ist nicht gut für die Stimme. Denn die meisten Wagner-Partien liegen nicht so hoch. Es sind tiefe Partien. Und ich will mein hohes C noch behalten.

Man klopft auch schon wegen Siegfried bei Ihnen an?

Botha: Das ist richtig, aber ich glaube nicht, dass ich den Siegfried jemals singen will. Das ist eine mörderische Partie. Und dann bräuchte man einen sehr guten Dirigenten und eine außerordentliche Produktion. Nein - ich glaube, das wird nicht kommen...

Mit den Regisseuren haben Sänger es heute nicht leicht, oder?

Botha: Man kann jede Oper modern inszenieren, man muss nur auch die Geschichte erzählen, denn sonst funktioniert es einfach nicht. Man versucht ja auch nicht, das Rad neu zu erfinden. Runder als es ist, kann man ein Rad nicht machen. Ein Rad bleibt ein Rad, und Lohengrin bleibt Lohengrin. Ein Regisseur hat mal zu mir gesagt: Ich finde den Charakter von Lohengrin überflüssig. Was soll ich ihm als Sänger denn in so einer Situation antworten?

Was ist die Ursache für diese Konflikte?

Botha: Viele Regisseure in der Oper kommen heute vom Schauspiel und haben keine Ahnung, wie eine Gesangsstimme funktioniert - das ist das erste große Problem. Dann gibt es selten Schauspielregisseure, die ein Gefühl für die Musik haben, ich rede gar nicht vom Partituren lesen. Und dann kommen sie und erwarten, dass wir Sänger wie Schauspieler agieren können. Können wir nicht. Wir brauchen einen gewissen Standpunkt, von dem aus die Stütze geführt wird. Wenn man die Stütze nicht in Ordnung halten kann, dann kann man nicht mehr singen, und dann geht die Stimme kaputt.

Heute müssen Sängerinnen und Sänger alle gertenschlank sein, und die Regisseure hätten auch gerne Elsas und Isolden, die so jung wie möglich sind.

Botha: Welche Sängerin kann denn mit 20 die Elsa singen, geschweige denn Isolde? Es gibt ohnehin kaum Nachwuchssänger für Wagner.

Weil die Guten sich zu früh kaputt machen?

Botha: So ist es. Es gab mal eine Zeit, wo man mir gesagt hat, Johan bleib weg von Wagner, sing erst mal lyrische Sachen, bleib weg von diesen Riesenbrocken Musik. Aber die Opernhäuser haben ständig angerufen: Wie wäre es mit Lohengrin? Als ich 31 war, habe ich gesagt, Ok, jetzt kann ich langsam damit anfangen. Aber es war schwer und ist heute noch schwerer, genügend italienische Partien zum Ausgleich zu bekommen. Eben, weil es nicht so viele Wagner-Sänger gibt und diese wenigen so gefragt sind. Der Nachwuchs wird auch nicht gut betreut. Die Opernhäuser haben vor 20, 30 Jahren versäumt, neue Tannhäuser und Tristane heranzuziehen, indem sie eine kluge Ensemblepflege betreiben. Jetzt ist da so ein Riesenloch. Es gibt uns vier oder fünf, die das singen können, und dann nichts.

Erinnern Sie sich noch an die Zeit in Hagen?

Botha: Natürlich! Ich war jung, ich brauchte ein Sprungbrett, und Hagen war wirklich der Ort, der mir sehr geholfen hat. Ich habe Hagen sehr viel zu verdanken. Es war eine schöne Zeit, ich erinnere mich gerne zurück. Grüßen Sie mir Hagen! Ich würde gerne wieder mal zurückkommen.