Paris. . Die Unesco-Liste des Weltkultur- und -naturerbes wird jährlich länger, das Geld zum Erhalt der Stätten dagegen immer knapper. Ein Gespräch mit der deutschen Vize-Direktorin Mechtild Rössler, die angesichts der Entwicklungen die Alarmglocke läutet.

Um den Schutz der Welterbe-Stätten kümmert sich Mechtild Rössler seit 20 Jahren, seit Januar 2013 als Vize-Direktorin des Welterbe-Zentrums in Paris. Nun läutet sie die Alarmglocke. „Die Situation ist dramatisch“, sagt die 55-Jährige. Es fehle an Geld und Personal, um den Erhalt der Stätten zu sichern. Sabine Glaubitz sprach mit der promovierten Geo-Wissenschaftlerin.

Als Sie bei der Unesco ihre Arbeit aufnahmen, zählte die Liste 240 einzigartige Welterbestätten. Heute sind es mehr als 1000. Gibt es keine Grenze nach oben?

Mechtild Rössler: Die Welterbekommission zeichnet kulturelle und natürliche Vermächtnisse von außergewöhnlichem Wert aus. Das Problem ist, dass die Konvention, auf die sich die Kommission beruft, den Begriff über Kriterien definiert, die nicht genau festgelegt sind, wie Authentizität oder Integrität. Dazu gibt es zwei Positionen. Die einen sagen, man muss selektiv vorgehen, die anderen vertreten den Standpunkt, dass die Vielfalt der Stätten unbegrenzt sei.

Welche Position dominiert?

Rössler: In den ersten zwanzig Jahren gab es darüber noch keine Diskussionen. In dieser Zeit kamen die Kulturstätten Taj Mahal und Machu Picchu auf die Liste. Wir nennen sie „Ikonen-Stätten“. Jetzt kommen wir in eine Phase, in der bewiesen werden muss, dass die Stätten und Naturlandschaften im internationalen Vergleich außergewöhnlich sind.

Haben Sie noch die Kontrolle über die Liste?

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Rössler: Ich kenne 60 Prozent der Stätten persönlich. Aber wir haben bei der Unesco weder das Geld noch das Personal für all die eingeschriebenen Vermächtnisse. Wir sind drei Mitarbeiter für Europa, zwei für die arabischen Staaten und bislang einer für Afrika.

Sie läuten nach all den Jahren die Alarmglocke?

Rössler: Die Situation ist dramatisch. Seit 2011 zahlen die USA und Israel nicht mehr nur kein Geld in das normale Unesco-Budget. Es fließen auch keine Gelder mehr von ihnen in den Welterbefonds, obwohl von beiden Ländern weiter Stätten und Naturlandschaften auf die Liste eingeschrieben werden, wie dieses Jahr. Wir haben nicht mehr die Ressourcen, den armen Ländern dieser Welt beim Erhalt und dem Schutz-Managementplan zu helfen.

Klingt in der Tat dramatisch.

Rössler: Es ist nicht so, dass es kein Geld mehr gibt, aber es wird an der falschen Stelle ausgegeben. Es werden von den Staaten Millionen Dollar für die Organisation von Welterbekomitees ausgegeben, die Schauvitrinen für die Staaten sind, sowie Millionen von Euro für die Nominierung. Für den Erhalt der Stätten ist dann kein Geld mehr da.

Was können Sie dagegen tun?

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Rössler: Wir bitten das Komitee, selektiver vorzugehen. Dieses Jahr hat es viele Stätten eingeschrieben, die den Anforderungskriterien nicht entsprechen. Es war ein recht laxes Komitee. Es ist kaum unseren Empfehlungen gefolgt. Aber da spielt natürlich politischer Druck eine Rolle.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Rössler: Ich bin dieses Jahr im Wadi Rum in Jordanien gewesen. Die Naturstätte wurde 2011 auf Druck hin eingeschrieben. Drei Jahre später war noch keine der Empfehlungen, die das Komitee 2011 angenommen hat, umgesetzt.

Die Liste existiert seit mehr als 40 Jahren. In dieser Zeit wurden bislang nur zwei Stätten von der Liste gestrichen, das Dresdner Elbtal und das Wildschutzgebiet der Arabischen Oryxantilope in Oman. Ist diese geringe Verlustrate nicht eher ein Erfolg?

Rössler: Jede Stätte, die von der Welterbeliste gestrichen werden muss, ist ein Verlust, ein Misserfolg für die internationale Gemeinschaft. Im Falle von Oman hat der betroffene Staat zur Ölförderung das Naturschutzgebiet so sehr reduziert, dass nicht mehr viel vom außergewöhnlichen Wert übrig geblieben war. Auch im Fall des Dresdner Elbtals war die betroffene Stadt gar nicht erst zu Verhandlungen bereit.

Was war einer ihrer erfolgreichsten Momente?

Rössler: Die Wiederaufrichtung der rund 25 Meter hohen Stele von Axum in Äthiopien im Jahr 2008. Sie wurde während der italienischen Besatzung 1937 entwendet und in Rom aufgebaut. Mit der Rückgabe war für Äthiopien gewissermaßen der Zweite Weltkrieg beendet. Der Aufwand war enorm. Wir mussten zuerst eine der größten Transportmaschinen der Welt finden und den riesigen Obelisken verfrachten und umplatzieren. Heute könnten wir solche großen Projekte nicht mehr durchführen. (dpa)