Essen. Jonas Kaufmann kündigt ein Operettenalbum an. Da springt also noch einer in die Bresche für eine Kunstform, die mancher als albern und gestrig abtut. Dabei war es vor 50 Jahren fast allen großen Sängern eine schöne Selbstverständlichkeit die „lustige Witwe“ genauso engagiert zu singen wie eine „Zauberflöte“.

Unter Fans kursiert schon jetzt das Bild: Everybody’s Tenor-Darling Jonas Kaufmann vor einem alten grauen Mikro der 1920er-Jahre. Im Retro-Stil verneigt der amtierende Wagner-Star der New Yorker Metropolitan Opera sich vor der Operette: „Dein ist mein ganzes Herz“, „Gern hab ich die Frau’n geküsst“.

Wieder (Klaus Florian Vogt machte es vor) verteidigt ein großer Sänger die Ehre jenes Genres, das unter Vorurteilen begraben liegt. Als albern und seicht gilt vielen heute die Operette, als musikalisch leichtgewichtig dazu. Da möge wer will die „Lustige Witwe“ gegen Lloyd Webbers singende Lokomotiven antreten lassen und hören, wie kompositorische Substanz das Musical-Getute an die Wand singt. Und was das Seichte angeht: Sicher, es reimt sich auch bei der Operette zuverlässig Herz auf Schmerz, in der „Csardasfürstin“ gar „Mopsi“ auf „Hopsi“ sowie „schnäbelt“ auf „benebelt“ – mehr Biss und Ironie als beim Großteil chartstürmender WDR4-Ohrwürmer ist bei ihr dennoch zu Haus.

Traviata und Mariza - kein Widerspruch

Kaufmanns Operettenalbum, das auch Filmschlagern Raum gibt (Ein Lied geht um die Welt), kommt am 19. September heraus. Wir werden pünktlich berichten, lassen uns aber in der Zwischenzeit nicht ohne Vergnügen von einer preiswerten Box (6 CD, Warner, 5099943128020, ca. 23€) trösten. Sie erinnert an Zeiten, als große deutsche Opernstars ganz selbstverständlich heute schwindsüchtige Traviata und morgen kokette Gräfin Mariza waren.

Füllhorn für Nostalgiker

Elf dieser vor mehr als einem halben Jahrhundert in Köln produzierten Querschnitte lassen Nostalgiker einem Füllhorn lauschen. Anneliese Rothenberger und Erika Köth, Hermann Prey und Rudolf Schock – es waren echte Stars, die mit Mozart- und Verdistimmen mächtig Lust auf Champagner machten. Da zeigt sich der ewige Naturbursche Schock (Duisburger und zunächst Friseur!) mit Verve als „flotter Geist“ in den fordernden Höhen des Zigeunerbarons.

Und Lisa Otto (leider fast vergessen, aber was für eine begnadete Soubrette!) singt in Zellers „Vogelhändler“ eine Postchristel zum Niederknien („Auf die Adresse kommt es an“). Ebenfalls dabei: „Bettelstudent“ und „Vetter aus Dingsda“, „Nacht in Venedig“ und „Wiener Blut“. Dass bei der „Fledermaus“ die Arienfolge komplett verkehrt ist, werden Kenner gelassen kommentieren: „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“ Es ist schließlich der Titel der Schatztruhe in sechs Scheiben.