Gondershausen. Zum ersten Mal wurden in Deutschland Felsgravuren aus der Altsteinzeit entdeckt. Vier Tiere sind im Schiefergestein an einem Abhang im Hunsrück zu erkennen. Jetzt wird ein Konzept zum Erhalt und zur Präsentation der einmaligen Kunstwerke gesucht.

Vor 20.000 bis 25.000 Jahren griff ein Künstler zu seinem Werkzeug aus hartem Stein und schlug Bilder von zwei großen und einem kleinen Pferd sowie von einem bislang noch nicht identifizierten Tier in einen Schieferfelsen. Sein eventuell mit Naturstoffen gefärbtes Werk war in der kahlen Gegend weithin sichtbar. Die Stelle hatte der Künstler wohl bewusst ausgewählt, denn seine Zelte hatte er an dem Ort im heutigen Hunsrück nicht aufgeschlagen. So viel konnten die Archäologen der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) über die Entstehung der altsteinzeitlichen Gravuren sagen, die sie am Dienstag präsentiert haben.

Landesarchäologe Axel von Berg und Archäologe Wolfgang Welker konnten ihre Begeisterung über diesen Fund bei Gondershausen (Rhein-Hunsrück-Kreis) nicht verbergen. Die beiden Wissenschaftler sprachen von einem "Glücksfall", der sie sehr überrascht habe. Rund zwei Jahre lang haben sie mit weiteren Experten laut von Berg untersucht, ob sie sich mit der Datierung nicht doch irren. Aber im Vergleich zu Funden aus Frankreich, Spanien und Portugal sind sie sich jetzt sicher: "Das sind mit die ältesten Sachen, die wir in Deutschland haben", sagt von Berg.

Erster Kunst-Fund aus der Altsteinzeit in Deutschland

Es handele sich um den ersten Fund altsteinzeitlicher Felskunst in der Bundesrepublik. Dass sie im sehr witterungsanfälligen Schiefergestein erhalten blieb, ist laut den Archäologen dem Zufall zu verdanken. Von Berg vermutet, dass eine Art natürliches Felsdach die bis zu zwei Zentimeter tiefen Gravuren aus der Zeit der Jäger und Sammler lange Jahre vor der Witterung geschützt hat. Und als die Römer ab dem zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus begannen, Steine zum Villenbau abzutransportieren, ließen sie den Felsen mit der Kunst stehen. Laut von Berg könne es aber sein, dass sie auch Gestein mit Gravuren zu Bauquadern verarbeitet haben und das Werk ursprünglich größer war.

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen betrachtet die steinzeitliche Kunst.
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen betrachtet die steinzeitliche Kunst.

Entdeckt hat die Gravuren der Gondershausener Jürgen Weinheimer. "Er ist viel im Wald unterwegs und hat es vor 22 Jahren das erste Mal gesehen", erzählte Arno Quirin aus Gondershausen. Vor acht Jahren sei der Finder zu ihm gekommen, weil er sich doch für die Römer und die Ortsgeschichte interessiere. "Um die Ecke waren Hügelgräber aus der Bronzezeit, ich habe das in den Zusammenhang gebracht", sagte Quirin. Irgendwann sprach er doch einen Archäologen an. "Für uns ist das eine absolute Sensation", erklärte Ortsbürgermeister Markus Landsrath.

Gefahr von Vandalismus droht

Eine "Art von Völkerwanderung" zu den Gravuren befürchtet nun Quirin. "Wir überlegen jetzt, wie wir die Fundstelle dauerhaft schützen können", erklärte Landesarchäologe von Berg und verwies auch auf die Gefahr von Vandalismus. "Geld ist hier nicht das Problem, sondern es geht erst einmal darum, eine angemessene Lösung zu finden", sagte Kulturministerin Doris Ahnen (SPD) bei der Besichtigung der Gravuren fernab der Wege an einem steilen Abhang mitten im Wald. Denn die Kunst solle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Von Berg brachte einen detailgetreuen Abguss zentral im Ort ins Gespräch.

Warum der Künstler vor 20 000 bis 25 000 Jahren überhaupt die 25 bis 50 Zentimeter großen Pferde erschaffen hat, ist laut den Archäologen nicht mehr zu sagen. "Es kann etwas mit einem Jagdzauber, mit der Beschwörung der Tiere zu tun haben", vermutet von Berg. (dpa)