Gelsenkirchen. . Gelsenkirchen lädt zum landesweiten Seniorentheater-Festival für Nordrhein-Westfalen. „WILDwest“ zeigt vom 19. bis zum 21. Juni die ganze Bandbreite des Bühnengeschehens mit und für “UHUs“ (unter Hunderjährige, versteht sich). Denn noch nie gab es so viel spielende Ältere.

Rampenreife, ich erkenn’ dich am Namen: Da wären die WeisheitSZENE, die Herbstzeitlosen, die Spätzünder oder Synovia („Gelenkschmiere“). Auch die UHUs. Das wiederum heißt, dass die Spieler „Unter Hundert“ sind, aber mitunter fehlt nicht viel. Nie gab es so viele Seniorentheatergruppen wie heute. Das Beste davon zeigt sich beim Festival „WILDwest“ 2014. Mitte Juni wird Gelsenkirchens Consol Theater zum zweiten Mal seine Bühne frei machen fürs „Seniorentheatertreffen NRW“.

Aus Düsseldorf und Siegen werden sie kommen, dazu „DIE DA“ aus Aachen sowie die Bielefelder „Schrillerpfeifen“. Segen gibt es von ganz oben: Das Familien- und Kulturministerium unterstützt das Gipfeltreffen betagter Mimen. Den „kreativen Potenzialen der Älteren“ wünscht Ministerin Ute Schäfer eine Bühne – und weiß, dass sich für die Ensembles schon seit geraumer Zeit mit beachtlichem Erfolg der Vorhang öffnet.

Eine Jury ging zuvor übers Land, die Besonderen unter all den Guten zu suchen. Man fand reichlich und lud zum Beispiel ein: 1650 Jahre Lebensgeschichte. Das ist das zusammengerechnete Alter aller Darsteller, die mit dem Freien Werkstattheater Köln „Vom Leben“ (21.6., 16 Uhr) ihr biografisches Mosaik gestalten. Die Älteste auf der Bühne ist 98. Soviel zum Thema Ent-Faltung in der Kunst.

"Gebündelte Lebenserfahrung"

Manche der Laienensembles wagen sich an große Tragödien, spielen Tschechows „Platonov“ (UHU, 20.6., 19.30 Uhr) oder beschreiten den dunklen Weg jener „Winterreise“ (Volxbühne Mülheim, 20.6., 16.30 Uhr), zu der Elfriede Jelinek assoziativ einlädt.

Den Reichtum eines Theaters mit spielenden Alten besingen die Juroren stolz und begeistert: „viele Facetten, spannende Lesarten, gebündelte Lebenserfahrung.“ Oft wird die eigene Biografie zur Brücke auf die Bühne. Und sei’s das Ziel jahrelangen Wartens: In Gelsenkirchens „Synovia“-Ensemble, der Seniorenbrigade am Consol Theater, spielt etwa ein Feuerwehrmann im Ruhestand. Jahrzehnte saß er als Wache im Parkett, möglicher Theaterbrände wegen. „Und dann“, sagt Willi Marschewski, „hab’ ich gedacht, ich will ma’ auf der anderen Seite stehen.“

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Von „Heldentaten, die kein Alter kennen“, will das Seniorentheatertreffen übergreifend erzählen. Das kann der Mut sein, auch mit Ende 70 noch zur E-Gitarre zu greifen, wie ihn der Auftritt der Band „Faltenrock“ (19.6., 20.30 Uhr) hören lässt. Oder die lustvolle Neugier, im Oma-Alter zu fragen, ob es die Berühmtheit lohnt, nicht älter als „27/Siebenundzwanzig“ zu werden, wie im Fall von Jim Morrison, Kurt Cobain oder Amy Winehouse. Jugendliche und Senioren treffen sich in diesem Stück des „Clubs der Spezialisten“ vom Düsseldorfer Schauspielhaus (19.6., 17.30 Uhr).

Kostenlose Workshops

Wenn schon Truppen aus ganz NRW anreisen, soll es nicht beim Auftritt allein bleiben. Workshops rund um das Helden-Motiv reichen vom Sprechen im Chor bis zum Mut, auch ohne Ballerina-Figur den „Helden-Tanz“ zu wagen. Alles kostenlos, aber Anmeldung muss sein. Zum Rahmenprogramm gehört der Mitsingabend von „La Paloma“ bis zu „Der Mond ist aufgegangen“ genauso wie eine große Revue, in der zig Gruppen en miniature zeigen, wozu man jenseits der Pensionsgrenze fähig ist – Alter spielt also schon eine Rolle.

Und, nein, so kunstvergessen sind sie auch als gereifte Bühnengrößen nicht, dass sie die wahren Dramen der Welt vergessen: Samstagabend (21.6., 21.45 Uhr) fährt man die Leinwand zum Public Viewing auf. Das Stück heißt: „Jogis Männerballett“.