Essen. . Der schwer herzkranke Sammler Cornelius Gurlitt (81), dessen Name mit dem “Schwabinger Sensationsfund“ im Herbst 2013 schlagartig berühmt wurde, ist tot. Er war von Beruf Sohn seines Vaters Hildebrand, der in der Nazi-Zeit mit Raubkunst handelte und privat eine millionenschwere Kollektion der Moderne aufbaute.

Cornelius Gurlitt hat jene sagenhaften 1200 Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle, mit denen er lebte, geliebt wie nichts sonst auf der Welt. In seiner Schwabinger Wohnung öffnete er jeden Abend den Koffer mit seinen Lieblingswerken auf Papier, mitunter sprach er sogar mit ihnen. Lieber als mit Menschen. Die millionenschwere Sammlung moderner, seinerzeit als „entartet“ diffamierter Kunst, die sein Vater Hildebrand Gurlitt unter dunklen Umständen in der Nazi-Zeit zusammengetragen hatte, wurde sein Schicksal.

Am Ende dürfte auch die Beschlagnahmung seiner Bilder im Februar 2012 und erst recht die öffentliche Aufregung seit Bekanntwerden im Herbst vergangenen Jahres dafür gesorgt haben, dass der schwer herzkranke Mann doch nicht, wie er immer gehofft hatte, 90 wurde: Am Dienstag ist Cornelius Gurlitt in seiner Wohnung in München am späten Vormittag mit 81 Jahren gestorben.

Der Vater und die Nazis

Cornelius Gurlitt, der kurz mal studiert hatte, blieb zeitlebens von Beruf Sohn. Er war 27, als sein extrem kurzsichtiger Vater auf der Autobahn bei Oberhausen tödlich verunglückte. Seither fühlte sich Cornelius als Beschützer jener Kunstschätze, von denen er annahm, sein Vater hätte sie vor den Nazis gerettet.

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Kunst war der Fixstern, um den die Familie Gurlitt schon lange kreiste. Urgroßvater Louis war ein Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts, Großvater Cornelius war Kunsthistoriker. Nach ihm ließ Hildebrand Gurlitt, der ebenfalls Kunsthistoriker wurde, seinen Sohn taufen.

Kunstvereins-Spitze in Düsseldorf

Hildebrand Gurlitt war sein leidenschaftliches Eintreten für moderne Kunst zum Verhängnis geworden: Nach fünf Jahren als Direktor des König-Albert-Museums wurde er entlassen; auch Geschäftsführer des Hamburger Kunstvereins ließ man ihn nicht lange bleiben, seine jüdische Großmutter war den Nazis ein Dorn im Auge. Denen kam der freischaffende Kunsthändler Gurlitt indes gerade recht, um „entartete“ Kunst möglichst gewinnbringend zu verscherbeln. Über die Praktiken dieses Raubkunsthandels wissen wir noch zu wenig, um entscheiden zu können, wie berechtigt Cornelius Gurlitts Kinderglaube an die ritterlichen Motive seines Vaters war.

Erforschung geht weiter

Auch nach dem Tod von Cornelius Gurlitt wird nach der Herkunft seiner Gemälde geforscht. Die Vereinbarung Gurlitts mit der Bundesregierung und Freistaat Bayern sei auch für die Erben bindend, so Bayerns Justizministerium. Dafür gebühre Gurlitt Anerkennung, sagte Justizminister Bausback (CSU).

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Familie nach Düsseldorf, wo sich Hildebrand Gurlitt an der Spitze des Kunstvereins um die Etablierung moderner Kunst in der jungen Bundesrepublik verdient machte, Theodor Heuss und Konrad Adenauer kamen zu den Ausstellungseröffnungen.

Beckmanns "Löwenbändiger"

Cornelius baute in Düsseldorf sein Abitur, nach dem Tod seines Vaters zog er mit der Mutter nach München. Und immer, wenn er Geld brauchte, verkaufte er einen der vielen Chagalls, Picassos oder Matisses der Sammlung. Und spätestens seit dem Herbst 2011 aber muss Gurlitt gewusst haben, dass längst nicht alle Werke der Sammlung von seinem Vater „gerettet“ wurde:

Damals lieferte er den „Löwenbändiger“ von Max Beckmann bei einem Kölner Auktionshaus ein – und teilte sich den Versteigerungserlös von über 700.000 Euro mit den Erben des jüdischen Vorbesitzers, die Ansprüche geltend gemacht hatten. Eigentlich wollte er Liebermanns „Reiter am Strand“ nehmen, aber er bekam das Gemälde nicht von der Wand herunter. Und der Beckmann, vertraute Gurlitt einem Reporter des „Spiegel“ an, sei schon so praktisch verpackt gewesen.

Lob der Kultur-Staatsministerin

Gurlitts spontane Weigerung („Freiwillig gebe ich gar nichts her“), Raubkunst-Ansprüche anzuerkennen, dürfte ohnehin daher rühren, dass er da von der Liebe seines Lebens sprach. Zuletzt aber hatte er, wie Kultur-Staatsministerin Monika Grütters (CDU) am Dienstag angesichts der Todesnachricht noch einmal betonte, mit seinem Bekenntnis zur moralischen Verantwortung „ein Zeichen für faire und gerechte Lösungen bei der Rückgabe von NS-Raubkunst gesetzt“.

Und mehr als alle moralischen Appelle und internationalen Abkommen hat der Fall Gurlitt der kunstgeschichtlichen Herkunftsforschung einen Auftrieb verschafft, der noch eine Weile anhalten dürfte. Cornelius Gurlitt aber wäre gewiss lieber gewesen, wenn es geschehen wäre, ohne dass man ihn ins grelle Licht der medialen Öffentlichkeit gezerrt hätte.

25 Kunstwerke aus Gurlitt-Fundus

Bernhard Kretschmars
Bernhard Kretschmars "Strassenbahn", Aquarell mit unbekanntem Entstehungsdatum. © dpa
Hans Christoph:
Hans Christoph: "Paar", Aquarell, 1924. © dpa
Max Liebermann:
Max Liebermann: ""Reiter am Strand", Gemälde, 1901. © dpa
Conrad Felixmueller:
Conrad Felixmueller: "Paar in Landschaft", Aquarell, 1924. © dpa
Marc Chagall: '
Marc Chagall: '"Allegorische Szene", undatiertes Gemälde. © dpa
Erich Fraass:
Erich Fraass: "Mutter und Kind", Aquarell, 1922. © dpa
Wilhelm Lachnit:
Wilhelm Lachnit: "Mann und Frau am Fenster", Aquarell aus dem Jahr 1923. © dpa
Henri Matisse:
Henri Matisse: "Sitzende Frau / In einem Sessel sitzende Frau", Gemälde, um 1924. © dpa
Otto Griebel:
Otto Griebel: "Die Verschleierte", Aquarell, entstanden 1926. © dpa
Wilhelm Lachnit,
Wilhelm Lachnit, "Maedchen am Tisch", Aquarell, 1923. © dpa
Otto Griebel:
Otto Griebel: "Kind am Tisch", undatiertes Aquarell. © dpa
Christoph Voll:
Christoph Voll:"Mönch", Aquarell, 1921. © dpa
Otto Dix:
Otto Dix: "Dame in der Loge", Aquarell, 1922. © dpa
Otto Dix:
Otto Dix: "Dompteuse". Aquarell, 1926. © dpa
Honore Daumier:
Honore Daumier: "Don Quichote und Sancho Panza", Gemälde, um 1865. © dpa
Théodore Rousseau:
Théodore Rousseau: "Vue de la vallée de la Seine", undatierte Zeichnung. © dpa
Ludwig Godenschweg: 
Ludwig Godenschweg: "Weiblicher Akt", undatierte Druckgrafik. © dpa
Ludwig Godenschweg:
Ludwig Godenschweg: "Männliches Bildnis". Druckgrafik, undatiert. © dpa
Eugene Delacroix:
Eugene Delacroix: "Conversation mauresque sur une terrasse", undatierte Bleistiftzeichnung. © dpa
Carl Spitzweg:
Carl Spitzweg: "Das Klavierspiel", Zeichnung, um 1840. © dpa
Auguste Rodin:
Auguste Rodin: "Etude de femme nue debout, les bras releves, les mains croisees au-dessus de la tete", undatierte Zeichnung. © dpa
Bonaventura Genelli:
Bonaventura Genelli: "Männlicher Akt", undatierte Zeichung. © dpa
Antonio Canaletto:
Antonio Canaletto: "Sa. Giustina in Prà della Vale". Padua, Druckgrafik von 1751/1800. © dpa
Fritz Maskos:
Fritz Maskos: "Sinnende Frau", Druckgrafik, 1922. © dpa
Christoph Voll: Christoph Voll:
Christoph Voll: Christoph Voll: "Sprengmeister Hantsch", Zeichnung, 1922. © dpa
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