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Wenn aus den Überresten von Michael Jackson ein neues Studioalbum veröffentlicht wird, ist Misstrauen angebracht. Beim postum veröffentlichen „Michael“ war 2010 sogar von gefälschten Stimmaufnahmen die Rede. Bei dem am kommenden Freitag erscheinenden Werk „Xscape“ hat man hingegen die Original-Aufnahmen aus den Jahren 1983 bis 1999, die nun den acht neuen Songs zugrunde liegen, gleich mit auf die Deluxe Edition gepackt. Das dürfte nicht nur jeglichen Zweifel aus dem Weg räumen, sondern besonders den Fans einen Dienst erweisen.
Wobei das mit den „neuen“ Songs erst mal so eine Sache ist: Mehrheitlich sind die Stücke bereits in den vergangenen Jahren im Internet geleakt worden – wenn auch in anderen Versionen. Die Produzenten, zu denen unter der Federführung von Epic-Records-Geschäftsführer Antonio „L.A.“ Reid auch Superstar Timbaland und Rodney „Darkchild“ Jerkins (Produzent von Destiny’s Child und Whitney Houston) gehören, legen viel Wert darauf, dass sie die Lieder lediglich in einen modernen Sound gegossen haben.
Seit dem Tod 700 Millionen verdient
Das ist ihnen erstaunlich gut gelungen; einige der Songs könnten glatt ein neues Justin-Timberlake-Album schmücken. Wohl nicht ohne Grund ist der dann auch auf besagter Bonus-CD im Duett mit dem King of Pop zu hören. Auf „Xscape“ treffen nun mal Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Und gerade deshalb ist es so überraschend und so überraschend gut.
Immer mal wieder blitzt die Genialität des Ausnahmekünstlers Michael Jackson durch: Der Opener „Love Never Felt So Good“ erinnert mit seinem Disco-Funk an die „Off The Wall“-Phase von 1979. Tatsächlich aber wurde die erste, von Paul Anka geschriebene Single der Platte erst 1983 im Original aufgenommen.
Vor dem inneren Auge sieht man Jackson dazu eine flotte Sohle auf dem leuchtenden Parkett hinlegen. In der Realität erledigte den Job am vergangenen Donnerstag allerdings R’n’B-Star Usher, als er bei einer Radiopreis-Verleihung zu dem Song wie sein Vorbild über die Bühne moonwalkte.
Einblicke in die Schattenseiten des Ruhms
„Slave To The Rythm“, im Internet einst als Duett-Version mit Justin Bieber aufgetaucht, lässt sich in die wilderen „Bad“-Zeiten verorten und klingt dementsprechend aggressiver. „Do You Know Where Your Children Are“ ist nicht nur thematisch, sondern auch mit seinen Hicksern und Schnipsern typisch Jackson! „A Place With No Name“, das bereits drei Wochen nach Jacksons Ableben auf Blogs zu finden war, erinnert nicht nur dem Namen nach an den Soft-Rock-Klassiker „A Horse With No Name“ von America. Selbstreferentiell wurde hier auch noch die Basslinie von Jacksons Hit „The Way You Make Me Feel“ verwurstet, was den Flirt mit dem Vergangenen auf die Spitze treibt.
Im Titel gebenden „Xscape“ gewährt der bereits gebeutelte Popstar mit tiefer Stimme einen Einblick in die Schattenseiten seines Ruhms: „No matter where I go I see my face... I want to hide away“, singt er. Der Song stammt aus den Aufnahmesessions des „Invincible“-Albums von 1999. „Selbst als Michael noch am Leben war“, sagt Produzent Jerkins, „haben wir nie aufgehört an ‚Xscape’ zu arbeiten. Ich hatte eine persönliche Beziehung zu Michael. Meine erste Frage war: Was würde Michael tun?“
Deutlich besser als die erste Restverwertung
Der Werbeslogan zur neuen Platte heißt übrigens: „The best you’ve never heard“. Ganz unrecht hat man damit nicht, ist das zweite postum veröffentlichte Studioalbum doch um ein Vielfaches besser als die Resteverwertung auf dem ersten. Auch sonst hört man fünf Jahre nach seinem tragischen Tod wieder viel vom King of Pop: Bruno Mars und Justin Timberlake zollen ihm auf ihren aktuellen Tourneen Tribut. Und gerade wurde bekannt, dass Jackson 700 Millionen Dollar verdient haben soll, seitdem er ruht. Mit diesem Album dürfte er auch weiterhin zu den Bestverdienern unter den Toten zählen.
Abschied von Jackson