Los Angeles. Michael Jackson ist tot - aber wer hat Schuld? Die Familie beschuldigt den Konzertveranstalter, den Popstar auf Kosten der Gesundheit zu einer Tournee - und damit in den Tod - getrieben zu haben. Doch die Geschworenen wollten davon nichts wissen. Die Klage hatte einen Umfang von hunderten Millionen Dollar.
In den 1980er-Jahren war Michael Jackson ein Sänger. Doch das trat bald in den Hintergrund und Jackson wurde etwas, was er auch heute vier Jahre nach seinem Tod noch ist: Ein Markenartikel. Um die Frage nach der Schuld an seinem Tod, vor allem aber um viel Geld stritten in den vergangenen Monaten Jacksons Familie und Jacksons Konzertveranstalter. Nun hat ein Schwurgericht in Los Angeles sein Urteil gefällt: Der Konzertveranstalter ist nicht verantwortlich am frühen Tod des "King of Pop".
Jackson war Ende Juni 2009 in Los Angeles gestorben. Nur Tage später hatte seine Konzertserie mit 50 ausverkauften Shows beginnen sollen. Der Popstar brauchte Geld und Erfolg, der Markt brauchte Jackson. Deshalb hatte der Konzertveranstalter AEG Live dem 50-Jährigen einen persönlichen Arzt an die Seite gestellt, der für 150 000 Dollar im Monat den Star rund um die Uhr betreuen und arbeitsfähig machen sollte.
Doch dieser Dr. Conrad Murray erwies sich als nicht so selbstlos, wie man sich einen Arzt wünscht. Statt seinen Patienten umfassend, aber angemessen zu umsorgen, soll er ihm Propofol zum abendlichen Einschlafen gespritzt haben - ein starkes Betäubungsmittel, das sonst bei Operationen benutzt wird. Auch als Jacksons Körper kollabierte, schien Murray erst einmal eigene Interessen und nicht die seines Patienten zu verfolgen. Jackson starb, Murray musste wegen fahrlässiger Tötung für zwei Jahre in Haft und soll in diesem Monat wieder freikommen.
Für Jacksons Familie gab es so einen klaren Mitschuldigen am Tod des erfolgreichsten Familienmitglieds: AEG Live habe Murray angestellt, um Jackson gesund zuspritzen, koste es, was es wolle. Der Konzertveranstalter habe einen inkompetenten Arzt angeheuert, nur um Jackson für die Konzerte fit zu machen. Spätfolgen? Nebensache.
Geschworene: "Wir hatten den Eindruck, dass er kompetent war"
Auf bis zu 1,5 Milliarden Dollar hätten sich die Einnahmeausfälle von Jacksons Tod belaufen, rechneten die Anwälte der Familie vor. Sie forderten für jedes der drei Kinder 85 Millionen Dollar und noch einmal 35 Millionen für seine Mutter Katherine. Dafür hätten sie aber auch nachweisen müssen, dass AEG Murray angeheuert hatte, obwohl sie ihn selbst für ungeeignet gehalten hätten.
Vier Tage berieten die sechs Frauen und sechs Männer, dann kam ihr "nicht schuldig". Ohne Frage sei es AEG gewesen, der Murray anheuerte. Aber: "Wir hatten den Eindruck, dass er kompetent war", sagte der Geschworene Gregg Darden der "Los Angeles Times". "Das heißt nicht, dass wir ihn für moralisch sauber halten. Wäre das die Frage gewesen, hätten wir vielleicht anders entschieden. Er war letztlich moralisch nicht sauber." Aber: Das habe AEG nicht wissen können, der Veranstalter habe den teuren Arzt im guten Glauben engagiert.
"Nicht glücklich" zeigte sich erwartungsgemäß der Anwalt von Katherine Jackson. Die 83-Jährige hatte den Urteilsspruch reglos verfolgt und war bald durch einen Hinterausgang verschwunden.
Erleichterung gab es hingegen bei AEG: "Wir haben eines der größten Genies der Musikwelt verloren", sagte AEG-Manager Randy Phillips der "LA Times". "Aber ich bin erleichtert und sehr dankbar, dass die Geschworenen klargestellt haben, dass weder ich noch sonst irgendwer bei AEG irgendetwas mit Michaels Tod zu tun haben." AEG-Anwalt Shawn Trell drückte die Erleichterung mit einem Satz aus: "Es ist schön, die ganze Sache im Rückspiegel zu haben." (dpa