Essen. . Unterdrückte unterdrücken manchmal auch: Hermann Schmidt-Rahmer inszeniert den Film, mit dem Lars von Trier heftiges USA-Bashing betrieben hat, als Theaterstück am Essener Schauspiel.

Das letzte Wort gehört an diesem Abend der Bundesverteidigungsministerin. „Morgen werde ich nach Mali fliegen, die Lage betrachten.“ Nach Ansicht von Lars von Triers Lehrstück „Manderlay“ im Grillo-Theater wird man ihre Mission, dem Land Stabilität und Zukunftsperspektiven geben zu wollen, skeptischer sehen. Denn Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer stellt in seiner politisch-pessimistischen Theateradaption des Kinostoffs Grundsatzfragen, die nicht nur im Zusammenhang mit dem afrikanischen Kontinent unbequem sind.

Wie also mit denen umgehen, die unsere westlichen Werte wie Toleranz, Demokratie und Menschenrechte nicht im selben idealhellen Lichte sehen? Die in neuer Freiheit nicht zu Solidarität und Selbstbestimmung finden, sondern zu neuer Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg?

Für die Ganoventochter Grace stellt sich die Frage erstmal nicht. Ganz Gutmenschen-Gouvernante ist sie im zweiten Teil von Lars von Triers Amerika-Trilogie auf der Baumwollplantage Manderlay gelandet und startet, nachdem sie eben mitten in eine Auspeitschung geraten ist, ihren basisdemokratischen Feldzug.

Auf kluge Art verfremdet, auf berührende Weise komisch

Schmidt-Rahmer hat von Triers Story von der amerikanische Südstaaten-Farm gleich auf den schwarzen Kontinent verlegt. Die Sklaven werden dabei wahlweise von den weißen Schauspielern oder von Puppen verkörpert, die Thomas Goerge, der unter anderem mit Christoph Schlingensief am Operndorf in Burkina Faso gearbeitet hat, aus Kleiderbügelkörpern und Kanisterköpfen gebastelt hat. Das auf kluge Art verfremdende und oft auf berührende Weise komische Spiel ist eine Stärke der Inszenierung.

Dabei stellt das Stück nicht nur linke Ideale auf eine schwere Probe. Denn Schmidt-Rahmer macht aus von Triers grob geschnitzter Amerikaschelte eine globale Parabel über die tiefer werdende Kluft zwischen Arm und Reich und das brutale Scheitern hehrer Weltverbesserungswünsche.

Am Ende kommt alles anders

Grace predigt Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, und wird bei der ersten Abstimmung gleich zur Henkerin der alten Wilma (Ingrid Domann) gewählt, die einem kranken Kind das Essen gestohlen hat. Das Fressen kommt wieder mal vor der Moral und Brechts episches Theater steht hier sowieso Pate.

Floriane Kleinpass verbreitet ihren idealistischen Retter-Furor mit einem fast heiligen Ernst. Im weißen Baumwollkleid irrlichtert sie zwischen Pappkarton-Hütten und Monitor-Türmchen, gibt sich mal dem Traum von der Gleichheit der Menschen oder dem starken Schwarzen Timothey (enorm variabel: Daniel Christensen) hin, in dem sie doch gern den Erster-Klasse-Sklaven sehen würde. Am Ende kommt alles anders. Die Unterdrückten sind selber Unterdrücker und Grace muss sogar zur Peitsche greifen, um ihr Leben zu retten. Statt Harmonie erntet sie Anarchie. Auf Ursula von der Leyen kommt noch viel Arbeit zu.

Termine: 2., 22., 31. Mai, Karten: Tel. 0201-8122-200