Essen. . Manchen küsst die Muse nur nach Stundenplan: Zum Welttag des Buches haben wir den erfolgreichen Autoren der Weltliteratur ins Schreibstübchen geschaut. Wir erzählen von Frühaufstehern und Nachtarbeitern, Wortmalochern und Sonntagsschreibern.

Bücher sind Welten, Reisen, Träume. Die Gedankenfreiheit und sinnliche Lust, die uns Literatur bereitet, aber steht oft im umgekehrten Verhältnis zur Disziplin und Routine, die ihre Entstehung ausmacht. „Schreiben ist keine Schwerstarbeit“, sagte einst Philip Roth, „Schreiben ist ein Albtraum“. Das Making-of der Literatur, es erzählt von Frühaufstehern und Nachtarbeitern, von heimlicher Zettelwirtschaft und harten Rückzugsgefechten von der Welt.

Am Abend, heißt es, wird der Faule fleißig. Wenn er aber tags sein Geld verdient? Franz Kafka schrieb nachts und saß am Morgen in der Prager Versicherung, T.S. Eliot verdingte sich als Bankangestellter, George Orwell hütete die Kasse eines Antiquariats. Andere folgten nachts ganz freiwillig den dunklen Pfaden des Unterbewusstseins: Honoré de Balzac stand um ein Uhr nachts auf und schrieb durch bis um acht. Auch Marcel Proust suchte im Bett liegend die verlorene Zeit, jedoch: „nach zehn Seiten bin ich erschöpft“. Und Friedrich Schiller ließ sich einst von Kaffee und Rheinwein durch die Arbeitsnacht tragen – sowie vom Geruch der fauligen Äpfel, die er in seinem Schreibtisch lagerte als Erinnerung an die Endlichkeit allen Seins.

Goldene Morgenstund

Von Ernest Hemingway wissen wir, dass er Frühaufsteher war: „Möglichst früh nach Sonnenaufgang“ griff er zum Bleistift und hielt täglich fest, wie viele Wörter er schrieb, „damit ich mir nichts vormache“. Noch vor Sonnenaufgang beginnt Toni Morrison den Tag, das Licht ist ihr ein „Signal“: „Es schaltet mich ein.“ Kaum einer aber startet so diszipliniert durch wie Haruki Murakami: Ab vier Uhr früh schreibt er sechs Stunden lang – dann geht er joggen. Oder schwimmen. Oder beides. Das Arbeits- und Sportritual ist ihm Selbsthypnose – „um auf eine höhere Bewusstseinsebene zu gelangen.“

Legendär auch die Disziplin Thomas Manns, der stets um neun Uhr den Dienst begann – und Ruhe, bitte! Um die gleiche Uhrzeit legte Charles Dickens los, von der Außenwelt abgeschirmt durch die Doppeltür seines Arbeitszimmers.

Rückzug von der Welt

Ich, allein auf der Welt: T.C. Boyle in seiner Holzhütte in der kalifornischen Sierra Nevada, John Irving auf einer kleinen Insel im kanadischen Lake Huron suchen ebenso die Ungestörtheit wie ein Jonathan Franzen, der „Die Korrekturen“ in seinem Arbeitszimmer in Harlem schrieb: Jeden Tag ließ er die Rolläden herunter, schaltete das Licht aus und setzte sich mit Ohrenschützern vor seinen Computer. Es dauerte dennoch vier Jahre, bis das Werk endlich fertig war.

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Und dann gibt es jene, die den Trubel suchen: So erblickte Rowlings „Harry Potter“ in einem Café in Edinburgh das Licht der Welt.

Heimliche Leidenschaft

Öffentlich arbeiten? Wie peinlich! Jane Austen, die mit Mutter, Schwester, Freundin in einem Landhaus in Chawton wohnte, schrieb im Wohnzimmer und auf kleine Zettel – die sie, wenn überraschend Besuch kam, rasch unter einer Handarbeit verstecken konnte. Rund 150 Jahre später ging es der Kanadierin Alice Munro nicht anders: Als junge Mutter nutzte sie den Mittagsschlaf der Tochter für eine kurze Story – aber die Nachbarn durften davon nichts wissen.

Auch Agatha Christie wurde selten bei der Arbeit erwischt: „Ich verhalte mich wohl so wie Hunde mit einem Knochen“, gab sie zu: „Sie verschwinden heimlich, und für eine halbe Stunde sieht sie niemand. Danach kehren sie verlegen und mit etwas Schlamm an der Schnauze zurück.“ Typisch weiblich? Nicht, wenn F. Scott Fitzgerald ein Mann ist: Der nämlich kritzelte sein erstes Werk im Unterricht beim Militär auf kleine Zettel.

Die Tücken der Muße

Machen Autoren Urlaub? Doch, durchaus. Aber nicht so oft. Einen guten Grund für die Arbeitswut (in seinem Fall: täglich von zehn bis nachmittags) lieferte einst John Updike. Ans Nichtstun sollte sich ein Schriftsteller besser nicht gewöhnen. Denn die „Wonnen des Nichtschreibens“ seien so groß, „dass man, wenn man einmal damit anfängt, nie wieder damit aufhört“.

  • Erst war es ein Blog, dann ein Buch: „Musenküsse“ von Mason Currey versammelt berühmte Rituale (Kein & Aber, 256 S., 14,90 €)
  • Als Auftakt des UNESCO-Welttag des Buches lesen am Dienstag (22. April 2014) ab 11 Uhr Prominente in der Düsseldorfer Buchhandlung Bolland & Böttcher. Zum Welttag gibt es – neben den Buchgutscheinen für Schulen – die „Aktion Lesefreunde“: 20 000 registrierte Buchverschenker werden mit Buchpaketen ausgestattet. www.welttag-des-buches.de