Düsseldorf. Die Bedeutung der Nichtfarbe Weiß in Bildern wird häufig unterschätzt. Die Kunstsammlung NRW widmet dem Weiß jetzt eine eigene Schau mit Bildern der Avantgardisten Wassili Kandinsky, Kasimir Malewitsch und Piet Mondrian. Die Ausstellung ist der Höhepunkt der diesjährigen Düsseldorfer Quadriennale.

An den schwarz-weißen Gitterbildern von Piet Mondrian läuft man oft ein bisschen achtlos vorbei. Einfach gemalt und leicht zu verstehen scheinen die Kompositionen, in denen viel Fläche weiß bleibt. Dabei gibt es mehr als 1000 unterschiedliche Weißpigmente in der Malerei, doch für die wenigsten von ihnen hat die deutsche Sprache Namen. Weiß ist vor allem für die berühmten Künstler der Avantgarde des beginnenden 20. Jahrhunderts viel mehr als nur eine Nichtfarbe, die Leerstellen im Bild belegt.

Die Kunstsammlung NRW hat erstmals dem Weiß in der abstrakten Kunst eine eigene Ausstellung gewidmet. Museumsdirektorin Marion Ackermann hat dafür berühmte Werke der drei großen Avantgardekünstler Wassili Kandinsky (1866-1944), Kasimir Malewitsch (1878-1935) und Piet Mondrian (1872-1944) aus Museen der ganzen Welt von der Moskauer Tretjakow Galerie bis Australien ausgeliehen.

Entstanden ist eine großartige Ausstellung mit etwa 45 Gemälden von Malewitschs legendärem Schwarzem Quadrat auf weißem Grund in einer Version von 1929 und Kandinskys abstrakten Kompositionen bis zu Mondrians Gitter- und Rautenbildern. Zeichnungen, Architekturmodelle, Künstlerbücher und ein seltenes Filmdokument nach einem Drehbuch von Malewitsch aus den 20er Jahren runden die Schau mit dem Titel "Der weiße Abgrund Unendlichkeit" (Malewitsch) ab.

Malewitsch begründete die gegenstandslose Kunst

Die Ausstellung, Höhepunkt der am Samstag beginnenden Düsseldorfer Quadriennale, lässt den Besucher auch durch ihre außergewöhnliche Architektur in einen weißen Kosmos eintauchen. Für jedes Bild gibt es eine eigene weiße Wand, sogar der Boden der Halle wurde mit einem weißen Belag ausgelegt.

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Weiß sei für Malewitsch politische Utopie, für Kandinsky die Farbe der Schöpfung und für Mondrian ein Gegenentwurf zur Wirklichkeit und damit eine Nichtfarbe gewesen, sagt Ackermann, die die Ausstellung selbst kuratiert hat. Gemeinsam sei den drei Künstlern, dass sie mit dem Gebrauch von Weiß "höhere Dimensionen zum Ausdruck bringen wollten". Sie waren verankert in einer Zeit, in der Einsteins Relativitätstheorie, die Entdeckung der Röntgenstrahlen und die Vorstellung von einer vierten zeitlichen Dimension die Fantasien beflügelten, während der Erste Weltkrieg in ihrem Werk kaum Spuren hinterließ.

Weiß aber ist nicht gleich Weiß. Es kann etwa bei Malewitsch bläuliche, gelbliche oder zartrosa Schattierungen haben. "Die Ausstellung will die Menschen dazu bringen, ganz genau hinzugucken", sagt Ackermann. Mondrian malte seine Gitterstrukturen reliefartig, sie täuschen den Blick, indem mal die eine, mal die andere weiße Fläche hervorzutreten scheint. Wenn auch die von schwarzen vertikalen und horizontalen Linien umzäunten weißen Flächen die Hauptrolle spielen, benennt Mondrian das Weiß dennoch nie in den Titeln seiner Werke.

Eigens programmierte App erklärt Umgang mit der Kunst

Bei Malewitsch darf sich das Weiß ausbreiten. Sein berühmtes Schwarzes Quadrat, Ikone der Moderne, markierte 1915 den Beginn der neuen gegenstandslosen Kunst. Später scheinen bunte geometrische Formen in seinen Bildern über dem weißen Abgrund zu schweben, bis er den radikalen Endpunkt erreicht: komplett weiße Bilder, in denen sich grauweiße Trapeze oder Quadrate im Nichts aufzulösen scheinen.

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Für den etwas älteren Kandinsky war das wichtigste Kennzeichen von Weiß "ein großes Schweigen ... voller Möglichkeiten". Er spielte mit dem weißen Trapez der Kunstgruppe der Suprematisten und malte seine eigenen Chiffren darauf.

Wie häufig stellt Ackermann eine Verbindung zwischen der Klassischen Moderne, die die Kollektion des Landes NRW auszeichnet, und der Gegenwartskunst her. In der Nachbarhalle überführt eine faszinierende Lichtinstallation des skandinavischen Künstlers Olafur Eliasson die abstrakten Formen der revolutionären Avantgarde in die webbasierte moderne Welt. Ein an der Decke hängendes Prisma wird von Licht angestrahlt und wirft abstrakte Kompositionen aus filigranen Bögen und Linien in Weiß oder Spektralfarben an die Wände.

Auf eigens für die Kunstsammlung produzierten Apps lehrt Eliasson den kontemplativen Umgang mit Kunst und erklärt, wie man sich das schnelle Vorbeigehen an einem Kunstwerk abgewöhnen kann. Das darf man dann mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen, bevor man sich wieder dem Weiß bei Kandinsky, Malewitsch und Mondrian zuwendet. (dpa)