Essen. Heinrich Steinfest ist nicht zimperlich, wenn er eine gute Geschichte erzählen will. Hier platzt einem toten Wal der Bauch, die Innerei trifft einen Mann, der daraufhin vom Manager zum Bademeister und auch noch Vater eines Sohnes wird, der gar nicht seiner ist. Nachzulesen all das in “Der Allesforscher“.

Dieser Roman ist fantastisch. Das sei nicht vorschnell als Qualitätsurteil verstanden. Denn er ist anfechtbar: Mancher wird ihn dramatisch überladen finden, dazu von einer Sprache, die ihrer Sache doch nicht ganz sicher scheint.

Fantastisch ist Heinrich Steinfests „Der Allesforscher“ dagegen zweifellos im Sinne des Genres. Oder ist es etwa nicht fantastisch, einen flüchtigen asiatischen Creme-Milliardär und einen einigermaßen freiwillig zum Bademeister abgerutschten IT-Manager zu gemeinsamen Vätern eines Söhnchens zu machen? Das Kind spricht eine Sprache, die kein Mensch kennt, übertrifft allerdings schon als Knabe alle Welt im Bergsteigen. Die Mutter des Kleinen? Traf der Manager als seine Intensivärztin; ein explodierender Wal-Kadaver hätte ihn nämlich fast das Leben gekostet...

Entwaffnender Erzähler

Nein, ganz so albern aufeinandergehäuft wie die verknappte Wiedergabe glauben lässt, geht es bei Steinfest nicht zu. Ein durchaus entwaffnender Erzähler ist dieser Mann. Mitunter nervt er etwas zu bildungsbeflissen (Kunstzitate von Glenn Gould bis Picasso). Dem gegenüber steht ein Schatz, dessen schönste Perlen wache Beobachtung, Lust an Neuschöpfungen und eine relativ diskrete Freude am Enthüllen sind: Kaum etwas ist so wie es scheint in der Welt des Ich-Erzählers Sixten Braun.

Hohle Welt der Business-Class

Die hohle Welt der Business-Class hat dieser, nicht zuletzt durch die Wal-Katastrophe geläutert, hinter sich gelassen. Ihn langweilen Designer-Betten und jene Edelnutten, die zu guten Deals der Branche einfach dazugehören.

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Sixten steigt aus. Aber eigentlich steigt er auf. Je mehr Geschichten dieser Roman in seinem Bauch hortet, desto unaufhaltsamer steuert sein Held auf einen Berg zu, an dem seine Schwester vor vielen Jahren zu Tode kam.

Umverschämt überreich

So überreich unverschämt Steinfest die Wundertüte namens Schicksal füllt: Er schafft es erstaunlich gut (bis auf übermäßig viel Alpinismus im letzten Drittel), daran zu glauben. Oder seine Typen so ins Herz zu schließen, dass wir ihm einfach glauben w o l l e n.

„Allesforscher“ ist ein Roman, der weniger von den Künsten größter Literatur als von der Kunst lebt, geistreich zu unterhalten. Benannt ist er nach einem Mann, den Sixten als Kind bewunderte, bis er ihn eines Tages tot im Sessel fand. Eigentlich aber meint er: uns. Leser macht dieses Kaleidoskop globaler Verhängnisse zu Allesforschern einer irren Geschichte. Ohne unsere neugierigen Komplizenschaft wäre sie schlicht zu schade, um nicht wahr zu sein.

Heinrich Steinfest: Der Allesforscher, Piper, 398 S., 19,99€. Eine sehr geglückte Hörbuchfassung liest Markus Boysen: Osterwold Audio, 6 CDs, 19,99€