Leipzig. Das Schulbuch wird elektronisch. Immer öfter kommt im Klassenzimmer auch das Tablet zum Einsatz. Damit soll der richtige Umgang mit dem Internet vermittelt und der Unterricht aufgepeppt werden. Lehrer werden per Weiterbildung im Umgang damit geschult. Doch Experten sagen: Finger weg!
Das Schulbuch auf dem Tablet-Computer oder die Videografik auf der elektronischen Schultafel: Die Digitalisierung kommt in deutschen Klassenzimmern an. Da soll der richtige Umgang mit dem Internet vermittelt werden und der Wisch über das Tablet soll den Unterricht aufpeppen.
Schulen statten sich zunehmend mit den aktuellen technischen Geräten aus, hat der Verband für Bildung und Erziehung (VBE) beobachtet. Er bietet zum Umgang mit ihnen bereits Weiterbildungskurse für Lehrer an.
Das Thema steht im Mittelpunkt des Deutschen Lehrertags des VBE auf der Leipziger Buchmesse, zu dem an diesem Donnerstag etwa 1000 Lehrer erwartet werden. Doch Hirnforscher warnen: Lasst nicht noch mehr Elektronik ins Klassenzimmer einziehen.
"Das MItdenken wird den Kindern abgewöhnt"
So ist der Hauptredner beim Lehrertag, der Hirnforscher und Bestsellerautor Prof. Manfred Spitzer, ein vehementer Gegner der elektronischen Helfer im Unterricht. "Alles, was man den Schülern maschinell abnimmt, haben sie auch nicht mehr im Kopf", sagt er.
Und: "Schon der vermehrte Einsatz von Taschenrechnern im Matheunterricht ist falsch, weil man den Kindern damit das Mitdenken abgewöhnt. Sie verlassen sich auf ihre Maschinen und prüfen bei den Ergebnissen oft nicht mehr: Kann das denn überhaupt sein?"
Dabei sind Taschenrechner seit langem Standardhilfsmittel im Unterricht. Der Trend geht inzwischen mehr zur elektronischen Tafel, dem sogenannten White Board, zu festen Internetarbeitsplätzen in jedem Klassenzimmer und zum Einsatz von elektronischen Schulbüchern auf Tablets, wie der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann sagt. "Der Laptop und das Tablet werden das Schulbuch auf Papier nicht ersetzen können, aber sie sind ein zusätzliches Mittel zur Methodenvielfalt."
Lehrer auf die digitalen Geräte oft nicht vorbereitet
Die digitalen Unterrichtshelfer breiten sich unterschiedlich schnell in den Schulen aus: "Wir sehen große Unterschiede bei der Ausstattung, je nachdem, ob die Kommunen finanziell bessergestellt sind oder nicht", sagt Beckmann. Dabei sei die mangelnde Ausstattung mit Computern und Co. nur die eine Seite des Problems.
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"Es krankt derzeit daran, dass die Kollegen nicht hinreichend auf die neuen technischen Möglichkeiten im Unterricht vorbereitet werden", stellt Beckmann fest. Wegen der knapp besetzten Lehrerkollegien müsste für Weiterbildungen an vielen Schulen zwangsweise der Unterricht ausfallen, mehr Lehrerstellen müssten geschaffen werden. "Man muss schlicht Geld in die Hand nehmen", fordert der Verbandschef. "Ständig Reformen und Neuerungen durchzusetzen und das alles zum Nulltarif, das geht einfach nicht."
Zumal die schlechte Vorbereitung der Lehrer auf den Unterricht mit den technischen Helfern deren Einsatz in der Schule sogar schädlich werden lässt, wie Hirnforscher Spitzer betont. "Es gibt gesicherte Studienergebnisse dazu: Nur wenn man die Computer anschafft, die Lehrer fortbildet, für die richtige Software sorgt und auch sonst alles richtig macht, dann schaden sie nicht."
Positive Effekte auf die Schülerleistung zeigten sich jedoch auch dann nicht. Statt auf die digitalen Helfer sollten Bildungspolitiker wieder auf die Stärkung von Fächern wie Musik, Theaterspiel oder Sport setzen, empfiehlt der Ulmer Forscher. "Sie verbessern die Aufmerksamkeit, erhöhen den IQ und machen gegen stressresistent." (dpa)