New York. . Rund vier Jahre ist es her, dass der radikale Künstler Christoph Schlingensief an Lungenkrebs starb. Posthum richtet ihm sein Weggefährte Klaus Biesenbach, Leiter des PS1-Museums in New York, jetzt seine erste Solo-Schau in den USA aus.

Werke des 2010 gestorbenen Künstlers Christoph Schlingensief werden erstmals in einer Einzel-Ausstellung in den USA gezeigt. Filme, Fotos, Installationen, Inszenierungen sowie Aufzeichnungen von Opern- und Theaterproduktionen des Aktionskünstlers und Film- und Theaterregisseurs sind seit Sonntag im New Yorker Museum PS1, einer Außenstelle des Museum of Modern Art (MoMA), zu sehen.

Damit widmet sich erstmals eine Solo-Schau in den USA dem radikalen und vielschichtigen Werk des deutschen Künstlers, der im Alter von 49 Jahren an Lungenkrebs gestorben war. Das PS1 gilt als eines der renommiertesten Museen für zeitgenössische Kunst.

"Christoph war ein Verführer, fast gewalttätig und ohne Kompromissbereitschaft oder Skrupel, dass das, was er tat, richtig war", sagt der deutsche Leiter des PS1, Klaus Biesenbach, der mit Schlingensief eng befreundet war. "Es gibt keinen lebenden Künstler, der mit ihm vergleichbar wäre."

Viele Werke trafen erst in letzter Minute ein

Die bis Ende August angesetzte Ausstellung zeigt Werke aus allen Phasen des radikalen Künstlers, wie unter anderem seine Documenta-Aktion "Mein Filz, mein Fett, mein Hase" 1997, die Gründung der Partei Chance 2000 oder das Projekt "Ausländer Raus! Schlingensiefs Container" in Wien, mit dem er die Fremdenfeindlichkeit in westlichen Kulturen anprangern wollte. Auch seine Aufführung des "Fliegenden Holländers" in der brasilianischen Stadt Manaus, seine "Parsifal"-Inszenierung für die Bayreuther Festspiele und das noch nicht vollendete Operndorf im westafrikanischen Burkina Faso sind dokumentiert.

Christoph Schlingensief

Christoph Schlingensief ist tot. In dieser Fotostrecke dokumentieren wir sein Leben.
Christoph Schlingensief ist tot. In dieser Fotostrecke dokumentieren wir sein Leben. © ddp
Schlingensief wurde 1960 in Oberhausen geboren. In München studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte.
Schlingensief wurde 1960 in Oberhausen geboren. In München studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte.
Zum Film kommt Schlingensief Anfang der 80er Jahre als Assistent des Experimentalfilmers Prof. Werner Nekes.
Zum Film kommt Schlingensief Anfang der 80er Jahre als Assistent des Experimentalfilmers Prof. Werner Nekes. © ddp
Sein eigener erster Langfilm wird 1987 mit dem Titel
Sein eigener erster Langfilm wird 1987 mit dem Titel "Tunguska - Die Kisten sind da" veröffentlicht.
Bekannt wird er jedoch erst zwischen 1989 und 1992, weil seine Deutschlandtriologie für Diskussionen sorgt.
Bekannt wird er jedoch erst zwischen 1989 und 1992, weil seine Deutschlandtriologie für Diskussionen sorgt. © WAZ
Die Triologie besteht aus den Filmen
Die Triologie besteht aus den Filmen "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzten Stunden im Führerbunker", "Das Deutsche Kettensägenmassaker" und "Terror 2000 - Intensivstation Deutschland".
1998 folgt sein Theaterdebüt mit dem Titel:
1998 folgt sein Theaterdebüt mit dem Titel: "100 Jahre CDU - Spiel ohne Grenzen". Im gleichen Jahr gründet er auch die Partei "Chance 2000".
2007 bekommt Christoph Schlingensief den Ruhrpreis der Stadt Mülheim, hier zu sehen mit dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten. Zuvor versucht er sich als TV-Moderator der medienkritischen Sendungen
2007 bekommt Christoph Schlingensief den Ruhrpreis der Stadt Mülheim, hier zu sehen mit dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten. Zuvor versucht er sich als TV-Moderator der medienkritischen Sendungen "Talk 2000" und "U 3000". © NRZ
Im Jahr 2000 sorgte Schlingensief vor allem in Österreich für Diskussionen: Dort stellte er Container vor die Staatsoper. Die Idee stammte aus der Fernsehshow
Im Jahr 2000 sorgte Schlingensief vor allem in Österreich für Diskussionen: Dort stellte er Container vor die Staatsoper. Die Idee stammte aus der Fernsehshow "Big Brother", nur das Schlingensief Asylbewerber in dem Container wohnen ließ. Das Ganze sorgte über Wochen für politische Diskussionen. © ddp
Seine erste Oper inszeniert Schlingensief 2004 im Rahmen der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Zwei Jahre später verabschiedet er sich für immer vom Theater, um sich auf seine Filme zu konzentrieren.
Seine erste Oper inszeniert Schlingensief 2004 im Rahmen der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Zwei Jahre später verabschiedet er sich für immer vom Theater, um sich auf seine Filme zu konzentrieren. © ddp
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2009 ist Christoph Schlingensief eines der Jury-Mitglieder.
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2009 ist Christoph Schlingensief eines der Jury-Mitglieder. © ddp
Mit der Zusage Schlingensiefs als Jury-Mitglied bei der Berlinale 2009 hatte zunächst niemand gerechnet, da 2008 Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde.
Mit der Zusage Schlingensiefs als Jury-Mitglied bei der Berlinale 2009 hatte zunächst niemand gerechnet, da 2008 Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde. © AP
Zusammen mit Tilda Swinton, der Präsidentin der internationalen Jury der Berlinale, gibt Jury-Mitglied Christoph Schlingensief in Berlin die Eröffnungs-Pressekonferenz der Berlinale 2009.
Zusammen mit Tilda Swinton, der Präsidentin der internationalen Jury der Berlinale, gibt Jury-Mitglied Christoph Schlingensief in Berlin die Eröffnungs-Pressekonferenz der Berlinale 2009. © AP
Trotz der Diagnose gibt sich Schlingensief enspannt mit Kollegin Tilda Swinton, vielleicht...
Trotz der Diagnose gibt sich Schlingensief enspannt mit Kollegin Tilda Swinton, vielleicht... © ddp
...auch weil er sich durch seine Lebensgefährtin Aino Laberenz bestärkt fühlt:
...auch weil er sich durch seine Lebensgefährtin Aino Laberenz bestärkt fühlt: "Sie hat mir sehr extrem geholfen in dieser ganzen Zeit. Ohne sie wäre ich da nicht so durchgekommen." © ddp
Das Paar hält zusammen: Schlingensiefs mittlerweile Verlobte Aino Laberenz begleitet den Regisseur zur Berlinale 2009. Im November 2009 hat sich das Paar das Ja-Wort gegeben.
Das Paar hält zusammen: Schlingensiefs mittlerweile Verlobte Aino Laberenz begleitet den Regisseur zur Berlinale 2009. Im November 2009 hat sich das Paar das Ja-Wort gegeben. © ddp
Platztausch: Schlingensief überreicht dieses Mal einen Preis, anstatt ihn zu bekommen. Hier bei der Berlinale 2009. Die österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr bekommt den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in dem Film
Platztausch: Schlingensief überreicht dieses Mal einen Preis, anstatt ihn zu bekommen. Hier bei der Berlinale 2009. Die österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr bekommt den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in dem Film "Alle Anderen". © ddp
Im März 2010 erhielt Schlingensief noch den Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Juli sagte er eine für die Ruhrtriennale geplante Produktion „S.M.A.S.H. - In Hilfe ersticken
Im März 2010 erhielt Schlingensief noch den Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Juli sagte er eine für die Ruhrtriennale geplante Produktion „S.M.A.S.H. - In Hilfe ersticken" ab. Er sehe sich nicht in der Lage, die Arbeit bis zur im August geplanten Premiere fertigzustellen. Nun erlag er im Alter von 49 Jahren seinem Krebsleiden. © ddp
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Ebenfalls gezeigt werden einige von Schlingensiefs provokanten Spielfilmen, wie "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzten Stunden im Führerbunker", "Das deutsche Kettensägenmassaker" und "Terror 2000". Viele Werke trafen erst in letzter Minute im Museum ein, weil die Container, in denen sie geliefert werden sollten, wegen der eisigen Kälte an der US-Ostküste im Hafen fest hingen. "Irgendwie ist auch das typisch Schlingensief", sagte PS1-Leiter Biesenbach.

Zur Eröffnung der Schau, die zuvor in Berlin zu sehen war, kam auch Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz nach New York. "Die Idee zu dieser Ausstellung entstand noch gemeinsam mit Christoph", sagte die Bühnen- und Kostümbildnerin, die inzwischen Schlingensiefs Werk fortsetzt. "Dass er hier ist und sichtbar gemacht wird, freut mich sehr, und wäre auch für ihn das, was zählt." (dpa)