Essen. . Von Sydneys Opernhaus bis hin zu Hamburgs Elbphilharmonie: Von planerischer Seriosität sind schöne neue Kulturbauten oft meilenweit entfernt. Kosten werden heruntergelogen, die Kunst haust im Ungefähren. Warum Skandale im öffentlichen Bau kaum überraschen sollten.
Das Opernhaus von Sydney gehört zu den zehn meistfotografierten Bauwerken der Welt und wird auch noch ein Postkartenmotiv sein, wenn es schon keine Briefmarken mehr gibt. Die 1973 nach vierzehn Jahren Bauzeit fertiggestellte Sydney Opera ist eines der Bauwerke mit der kürzesten Zeitspanne zwischen Fertigstellung und Ernennung zum Weltkulturerbe (2007) – wobei es nicht nur die Australier zu „ihrem“ Welterbe zählen, sondern auch die Dänen, aus deren Mitte der Architekt Jørn Utzon stammte.
Das strahlend weiße, an geschichtete Muscheln erinnernde Bauwerk wurde auf einer Halbinsel im Hafen von Sidney errichtet, der Industriebrache eines überflüssig gewordenen Straßenbahndepots.
Als der spätere Sieger Jørn Utzon seinen Entwurf zum internationalen Wettbewerb einreichte, hatte er eigentlich nicht mehr fertig als eine Skizze – nur die erste einer ganzen Reihe von Unstimmigkeiten und Skandalen, die in einem rasanten Anstieg der Baukosten auf mehr als das Vierzehnfache der ursprünglich angesetzten 3,5 Millionen Englischen Pfund mündete. Und die Eröffnung musste acht Jahre lang verschoben werden.
724 Seiten langen Abschlussbericht zur Elbphilharmonie
Auch die Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie ist mittlerweile für 2017 geplant – acht Jahre später als ursprünglich verheißen. Und wer sich an Sydney erinnert, liest den in dieser Woche bekanntgewordenen, 724 Seiten langen Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur Elbphilharmonie mit anderen Augen.
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Dieser Bericht, der schon eine geglättete, geschönte Version jener ersten Fassung sein soll, die vor zwei Monaten fertig wurde, ist zunächst einmal ein Dokument der Ohnmacht. Er benennt glasklar die Fehler und die Verantwortlichen – und wird von folgenloser Richtigkeit bleiben.
Die ursprüngliche Schätzung der Baukosten war himmelschreiend optimistisch, und der damalige Erste Bürgermeister Ole von Beust, der in das Projekt geradezu verliebt war, hielt leichtfertig an Hartmut Wegener fest, der als Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft ständig an den Grenzen der Überforderung operierte und nicht selten darüber hinaus.
Der Bauauftrag wurde zu früh vergeben
Der grundlegende Planungsfehler, der in Wegeners Verantwortung fällt, war die zu frühe Vergabe des Bauauftrags. Die Essener Großprojektstemmer von Hochtief bekamen ihn im Dezember 2006.
Aber da waren die Schweizer Star-Architekten Herzog & de Meuron (die ja auch für die Küppersmühle im Duisburger Innenhafen zunächst eine bravouröse Renovierung stemmten, bevor ihr spektakulärer Erweiterungsbau auf den Silos mindestens ebenso spektakulär in den Sand der Baustelle davor gesetzt wurde) mit ihren Planungen für den wellenartig gekrönten Bau auf einem alten Kai-Speicher im Hamburger Hafen noch längst nicht fertig.
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Gerade deshalb hatten sich alle anderen Baufirmen, zuletzt die Strabag, aus dem verfrühten Bieterverfahren zurückgezogen: Sie sahen sich außer Stande, seriöse Kostenplanungen vorzulegen. Nicht von ungefähr.
Herzog & de Meuron warnten die städtische Realisierungsgesellschaft noch, dass es durch die Vergabe eines unausgereiften Bauauftrags zu Nachforderungen durch die Baufirma kommen könnte.
Aber offenbar war es wichtig, mit einem überstürzten Baubeginn Fakten zu schaffen, bevor die tatsächlichen Kosten seriös berechnet werden konnten (die übrigens nicht zuletzt deshalb so hoch liegen, weil das Bauen heute weit weniger Menschenleben kostet und weit weniger Ausbeutung bedeutet als noch zu Zeiten, als die Pyramiden gebaut wurden oder Schloss Neuschwanstein).
Heute fürchten Politiker und ihre ausführenden Organe offenbar den Rechtfertigungsdruck für Bauwerke von erlesener Qualität. Vielleicht, weil schönes Bauen immer als unnötiger Luxus gilt. Dabei kann man, um den alten Ausspruch von Heinrich Zille zuzuspitzen, ja nicht nur mit einer miesen Wohnung einen Menschen erschlagen, man kann auch mit hässlichen Häusern eine ganze Stadt erschlagen, eine Atmosphäre schaffen, in der sich das Leben weniger lebenswert anfühlt als anderswo. Im Ruhrgebiet kann man mehr als ein Lied davon singen.
Spekulation mit Spektakulärem
Aber selbst in einer an Pfeffersäcken und anderem Geldadel so reichen Stadt wie Hamburg glauben Politiker, die Kosten von spektakulären, prestigeträchtigen Bauvorhaben herunterlügen zu müssen.
Das hat, zusammen mit einem überhasteten Baubeginn ohne ausgereifte Planung, zur Folge, dass die Lügen am Ende doppelt bestraft werden, mit einer Vervielfachung der Kosten. Die nicht sein müsste, wenn derlei Projekte mit ausgereiften Bauaufträgen ins Werk gesetzt würden.
Die Namen der Verantwortlichen sind genannt. Aber sie sind längst nicht mehr in ihren Ämtern, sie werden nicht zur Rechenschaft gezogen – auch das ein Grund dafür, warum derlei Skandale auf dem Feld des öffentlichen Bauens immer wieder geschehen werden.
Im Falle von symbolgeladenen Prestigebauten wie der Elbphilharmonie ist das allerdings nicht unausweichlich so. Man könnte ja auch stolz darauf sein, mit schönen Bauten zu leben. Dazu würde vielleicht sogar gehören, das Schöne um seiner selbst willen zu schätzen. Jedenfalls erlaubte solcher Stolz eine seriöse, ausgereifte Planung von Bauwerken, die nicht gleich wieder eingestampft wird, weil es teuer werden könnte.
Unsere Zeiten aber sind so, dass kostspielige Bauwerke wie die Elbphilharmonie nicht einmal dann in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen wären, wenn man vorrechnen könnte, dass sich ihr symbolischer Wert oder, um es drastischer zu sagen, ihre Postkartentauglichkeit bezahlt macht.
In Hamburg, wo der Bau nach einer (200 Millionen Euro teuren) Einigung zwischen der Stadt und Hochtief mittlerweile zügiger voranschreitet, sind die Kosten von ursprünglich geschätzten 186 Millionen auf vorläufig 860 Millionen Euro geklettert. Verglichen mit Sydney wäre da ja, ohne dass man gleich danach schnappen müsste, sogar noch Luft nach oben.