Hamburg. . Es geht um mehrere Hundert Millionen Euro: Der Hamburger Senat droht damit, den Vertrag mit der Baufirma Hochtief zu kündigen, sollte bis zum Donnerstag nicht weitergebaut werden. Hochtief hat allerdings keine schlechten Aussichten, die gerichtlichen Auseinandersetzungen um Baumängel zu gewinnen.
Der Hamburger SPD-Senat ist zum Pokerspieler avanciert – Einsatz: mehrere hundert Millionen Euro. Es geht um den Bau der Elbphilharmonie, jenes von den Basler Nobel-Architekten Herzog & de Meuron entworfene, spektakuläre Konzerthaus auf einem alten Kakaospeicher im Hafen, längst ein Millionengrab. Am Poker- oder vielmehr Verhandlungstisch gegenüber sitzen sich die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe und der Bauträger Hochtief – begleitet von politischen Indiskretionen.
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ist den monatelangen Stillstand auf der Baustelle leid geworden und setzt alles auf eine Karte: Würden die Bauarbeiten nicht bis zum 4. Juli wieder aufgenommen, „dann wissen wir, was wir zu tun haben“ – eine unverhohlene Drohung, den Vertrag aufzukündigen. Auch Kultursenatorin Barbara Kisseler klingt ultimativ: „Sollte sich nicht signifikant etwas auf der Baustelle ändern, werden wir handeln.“
28 Millionen Euro Zinsen
Hoch gepokert. Mehr als eine halbe Milliarde Euro öffentlicher Gelder stehen auf dem Spiel: Offiziell ist immer noch von 323 Millionen Euro die Rede, doch dazu sind mehr als 50 Millionen Euro an Nachforderungen gekommen. Plus 130 Millionen Euro Baukosten für das Fünf-Sterne-Hotel am Konzerthaus – von der Stadt über einen 20-Jahre-Kredit finanziert. Die dafür fälligen Zinsen von mindestens 28 Millionen Euro sollten beglichen werden aus der Verpachtung der Luxusherberge, die bereits nutzbar ist – doch wer will dort schon logieren, solange nebenan gebaut wird? „Die Abschreibung läuft, ohne dass sie finanziert werden kann“, bringt ein Insider das Dilemma auf den Punkt.
Keine guten Karten also für den Senat. Und das finanzielle Risiko ist enorm: „Es geht um mindestens 100 Millionen Euro aus Bauzeitverlängerungen und Nachtragsforderungen“, prophezeit Eva Gümbel, Obfrau der Grünen im Untersuchungsausschuss zur Elbphilharmonie.
Berliner Erfahrungen
Der mehrfach verschobenen Eröffnungstermin im Herbst 2015 wird kaum zu halten sein, hinzu kommt, dass dann die ReGe zum Generalunternehmer würde – und die war in der Vergangenheit stets überfordert, stellte der Untersuchungsausschuss fest. Da erstaunt es umso mehr, dass Scholz und Kisseler alles auf die letzte Trumpfkarte setzen: die Drohung, den Vertrag aufzukündigen. Denn die drei Kernforderungen können bis Mittwoch kaum erfüllt werden: das gewünschte Schiedsgericht wird bis dahin nicht eingesetzt sein, zudem wird Hochtief sich vorbehalten, umstrittene Arbeiten durch Beweissicherungsverfahren begleiten zu lassen, mit Blick auf Haftungsfragen und Gerichtsprozesse.
Der Einbau der Haustechnik – Beleuchtung, Sanitär- und Klimaanlagen – stockt, da die Stadt und die Architekten immer wieder neue Entwürfe lieferten, so Hochtief-Sprecher Bernd Pütter: Erst im Januar habe man 1000 neue Planungsdateien erhalten – „fünf Jahre nach Baustart steht immer noch nicht fest, wie das Gebäude konkret aussehen soll“.
Hochtief will nicht auf den Zusatzkosten sitzen bleiben. Und hat offenbar keine schlechten Karten: Im Streit um Risse in der gläsernen Wandverkleidung der 85 Meter langen Rolltreppe hatte das Landgericht unlängst Hochtief entlastet und den 660 000-Euro-Schaden einem Planungsfehler zugeschrieben. Für viele Beobachter eine richtungsweisende Entscheidung.
Bürgermeister und seine Senatorin könnten sich mit ihrer Konfrontations-Strategie mächtig verzocken. Dabei hat Kisseler in Berlin als Chefin der Senatskanzlei selbst erlebt, wie teuer das Überschätzen des eigenen Blattes werden kann: Mehrfach hatte die Hauptstadt den Bau des neuen Flughafens ausgeschrieben, feilschte mit Bewerbern um den Preis – um am Ende aus Kostengründen auf die Beauftragung eines Generalunternehmers zu verzichten, das Projekt selbst zu managen und den Bau auf eine Vielzahl von Einzelgewerken und Unternehmer zu verteilen. Das Ergebnis: mindestens 1,2 Milliarden Mehrkosten und eine Eröffnung, die noch öfter verschoben wurde als die der Elbphilharmonie.