Berlin. In Berlin und Peking wird derzeit die wohl weltweit größte Ausstellung mit Werken des chinesischen Dissidenten Ai Weiwei vorbereitet. «Ich bewundere seinen Mut», sagt der Direktor des Martin-Gropius-Baus, der Ais Kunst nach Deutschland holt. Die Schau wird im Frühjahr 2014 in Berlin zu sehen sein.
Er wird überwacht, darf nicht ins Ausland reisen und seine Werke nicht in seinem Heimatland ausstellen. Über Twitter hält der chinesische Dissident und Künstler Ai Weiwei Kontakt in alle Welt, postet Fotos und Videos über seinen schwierigen Alltag - und arbeitet in seinem Atelier am Pekinger Stadtrand unverdrossen an neuen Werken. Die weltweit wohl bislang größte Schau mit Kunst von Ai Weiwei wird im Frühjahr 2014 (3. April bis 7. Juli) im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen sein.
«Mehr als die Hälfte der Kunstwerke wird für die Berliner Ausstellung neu entstehen», sagt Direktor Gereon Sievernich im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Der 56-jährige Ai Weiwei wird seine Installationen, Fotos und Videoarbeiten im gesamten, 3000 Quadratmeter großen Erdgeschoss des Ausstellungshauses präsentieren - in 20 Räumen und dem Lichthof.
Kritik am kommunistischen Regime
«Für jeden Raum hat er sich eine eigene Komposition ausgedacht», so Sievernich, der die Schau gemeinsam mit Ai Weiwei vorbereitet. «Noch keines der Werke ist zuvor schon einmal in Deutschland gezeigt worden.»
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Und wie geht der Künstler mit den Freiheitsbeschränkungen und der permanenten Überwachung um? «Vor seinem Haus sind ungefähr zehn Überwachungskameras - an die hat er kleine rote Lampions gehängt», erzählt Sievernich. Seine Inhaftierung verarbeitete er in einem Musikvideo mit dem Titel «Dumbass» (Dumpfbacke). 2011 hatte der Künstler 81 Tage in Gefangenschaft verbracht. Ihm wurden Steuervergehen vorgeworfen. Den wahren Hintergrund vermutet seine Familie in seiner Kritik am kommunistischen Regime.
Ai Weiweis These: So viel Öffentlichkeit wie möglich
«Ich bewundere seinen Mut in dieser Situation. Er hat eine ungemeine Zuversicht», so der Museumsdirektor. «Er ist eine wunderbare Persönlichkeit - sehr eindrucksvoll», erzählt Sievernich. «Sein Vater, der große Schriftsteller Ai Qing, der in 1930er Jahren in Paris auch Kunst studiert hatte, war von den Kommunisten in die Verbannung geschickt worden. Ai Weiwei ist in den 60er und 70er Jahren in dieser Verbannung groß geworden, das muss man bei der Betrachtung seines Werkes mitbedenken. Die 20-jährige Verbannung seines Vaters hat sich ganz tief in sein Bewusstsein eingeprägt», so der Museumsdirektor.
«Er hat sich irgendwann entschieden, sein ganzes Leben zum Kunstwerk zu machen», erklärt Sievernich. «Das ist vielleicht der Weg für ihn, das überhaupt auszuhalten - indem er alles berichtet, fotografiert und filmt und so die Ereignisse zum Teil seiner künstlerischen Arbeit macht. Er hat die These: So viel Öffentlichkeit wie möglich. Das gibt ihm die Kraft, das auszuhalten, was er aushalten muss.»
"Ein großer Ästhet"
Die Doppelbödigkeit von Ai Weiweis Werken erschließt sich europäischen Betrachtern nicht immer auf Anhieb. Die Besucher werden bei der Interpretation der Arbeiten deshalb nicht alleingelassen, die Ausstellungsmacher geben Erklärungen. «Ai Weiwei ist ein sehr politischer Künstler. Und er ist auch ein großer Ästhet», sagt Sievernich. «Er ist aus meiner Sicht der chinesischste aller Künstler, die wir aus China kennen - weil er in seinen Arbeiten eben ganz intensiv chinesische Themen behandelt, was wir in Europa aber nicht immer so einordnen können. Wir sind einfach nicht in den Codes drin. Man muss sich also damit beschäftigen», erläutert Sievernich.
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Zum Beispiel Ais für die Londoner Tate Modern entstandene, aus 100 Millionen Sonnenblumenkernen bestehende Installation: «Dazu muss man wissen, dass die Sonnenblumenkerne aus Porzellan alle in Jingdezhen gefertigt wurden, dem Meißen Chinas. Dort wurde das Porzellan für den Kaiser gemacht und auch für den Export nach Europa. Ai Weiwei versteht es, sehr raffiniert mit solchen Bezügen zu spielen», so Sievernich.
"Wir haben ihn eingeladen - you never know!"
«Wir werden eine Gold-Version des "Zodiac" zeigen - die Installation aus Tierkreiszeichen ist eine Anspielung auf jenen berühmten, von Europäern erbauten Rokoko-Palast im Yuanming Yuan, dem Sommergarten des Kaisers. Man muss auch dazu wissen, dass dieser Garten 1860 von den Franzosen und Engländern geplündert worden ist - einige der Originalbronzen des "Zodiac" fanden den Weg nach Frankreich. Die europäischen Ruinen in Peking sind übrig geblieben, bis heute.»
Und gibt es eine Chance, dass Ai Weiwei bei der Eröffnung seiner Ausstellung dabei sein kann? «Wir haben ihn eingeladen - you never know!», sagt Sievernich diplomatisch. (dpa)