Oberhausen. . Dass er aus Augsburg kommt, wirkt wie ein Treppenwitz. Denn die Rückkehr Bertolt Brechts auf die Bühne besorgt tatsächlich die Puppenkiste: In Oberhausen lebt die Theaterlegende jetzt als metergroße Knautschfigur weiter. „Brecht“ heißt das Stück ganz schlicht.

Bert Brecht wirkt ausgeschlafen, was man ihm tatsächlich anzumerken glaubt, obwohl es sich in diesem Fall eigentlich um eine Puppe handelt. Sein wacher Zustand verwundert nicht, thront dieser ein Meter große Wiedergänger des berühmten Dramatikers doch auf einem riesigen Bett, für das die Bühnenbildnerin Constanze Kümmel fast die ganze Spielfläche des Oberhausener Theaters ausgenutzt hat. Geführt wird die ungemein lebensecht wirkende Gestalt von Suse Wächter, die sich diesen „Brecht“ betitelten Abend ausgedacht und ihn inszeniert hat.

Probe mit vier Damen

Der Titelheld selbst hat es mit dem Inszenieren hingegen nicht so leicht. Eigentlich ja gestorben und begraben, fehlen ihm nun die Rechte an all seinen Stücken, die von seiner Nachkommenschaft mit Argusaugen gehütet werden. Die Probe mit den vier Damen des Oberhausener Ensembles (eine davon deutlich männlichen Geschlechts), die zu ihm ins Bett gehüpft sind, fällt also ins Wasser. Stattdessen beginnt man zu plaudern, zunächst über Brechts Episches Theater, später dann über mehr gegenwärtige Dinge.

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Es ist eine reichlich wilde Mixtur, die Suse Wächter da in ihrer Reihe über „Helden des 20. Jahrhunderts“ zusammengerührt hat. Und man kann nicht sagen, dass die Titelfigur dabei gut wegkommt. Mit spürbar böser Ironie wird Brechts „Verfremdungseffekt“ auf dem Theater dabei von den Akteuren als verstaubtes Relikt und Irrweg der Dramatik zur Schau gestellt, wird sich über seine Unentschlossenheit beim Inszenieren eigener Werke lustig gemacht. Als „museal“ werden er und seine Stücke schließlich von den Schauspielern abgetan. Was bei ihnen den Plan reifen lässt, den Dramatiker stärker an unsere Ge­genwart heranzuführen.

Samt Zigarre und Dialekt

Zu diesem Zeitpunkt haben wir Brecht als Puppe samt Zigarre und Augsburger Dialekt längst ins Herz geschlossen, bewundern die Gelassenheit des Herrn mit der Schiebermütze und die Kunstfertigkeit, mit der seine Schöpferin ihn agieren lässt. Man verspürt fast Mitleid, wenn man ihn nun plötzlich konfrontiert sieht mit Flachbildfernsehern, Skype-Telefonaten oder Videospielen. Wenn er Spock von der „Enterprise“ begegnet oder, in ei­nem bizarren Intermezzo, gar Helge Schneider aus der Nachbarstadt. Das ist der Moment, da der Abend sich allmählich auflöst in eine beliebige Ideenabfolge, bei der auch die Gestik des Fußballstars Luca Toni in Verbindung gesetzt wird zu Momenten der Renaissance-Malerei.

Weitere Puppen tauchen auf. Der chinesische Philosoph Laotse, zu dessen Werken Brecht eine enge Beziehung hatte, liefert erwartungsgemäß vor allem Banalitäten ab. Der leicht aufbrausende Nietzsche wird seines ewigen Geiferns wegen gleich in Zwangsjacke vorgeführt. „Brecht“, das ist in Oberhausen ein Kessel Buntes, mal didaktisch, mal platt, mal bloße Pointe. Hauptsache, es tut sich was.