Essen. . Der Tyrann ist tot, die Messer werden gewetzt. Wolfgang Engel kocht im Essener Grillo-Theater Shakespeares blutigen Brocken „Macbeth“ zur Essenz für Feinschmecker ein. Es wird ein leicht verdaulicher Abend mit Konzentration auf die Psychologie.

Veggie-Day im schottischen Hochland. Regisseur Wolfgang Engel hat all das viele Blut und das tote Fleisch von der üblichen Shakespeare-Schlachtplatte genommen und diese brodelnde Ursuppe aus mordstiftender Liebe, unkontrollierbarer Machtgier und Hexenwahn zu einer feinen Macbeth-Consommé eingekocht. Geschmackvoll angerichtet, edel und bekömmlich, aber eben auch ohne den besonderen Biss.

Alles Machtstreben geht hier vom Weibe aus, von den drei wild kreischenden Hexen, die Macbeth die verhängnisvollen Weissagungen im schrillen Couplet-Ton vortragen. Aber vor allem von Silvia Weiskopfs gnadenloser Lady, die ihren Gatten gleich beim Stolz und seiner Männlichkeit packt, um ihm die todbringenden Karrierepläne einzuflüstern. Über wie viele Leichen muss man gehen, bis man Angst, Verzweiflung und bohrende Skrupel vielleicht nicht mehr spürt?

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Engel inszeniert diese zeitlose Frage als Expedition ins Innere eines traumatisierten Tyrannen, als Tragödie des Ehrgeizes und als psychologische Zimmerschlacht, für die Andreas Jander einen unmenschlich-großen Brettersaal gebaut hat. Alptraumschloss und Seelenknast, in dem die auf dem Speiseplan des Mordshungers notierte Exekutionsliste sorgsam, aber diskret vollzogen wird. Ein Dolchstoß für den alten Duncan (Jan Pröhl), einer für Tom Gerbers militärisch-zackigen Banquo.

Macbeth gerafft auf knapp 100 Minuten

Jens Winterstein spielt Macbeth, den schaudernden Schlächter im Schottenrock (Kostüme: Zwinki Jeannée) überzeugend als sachliches Monster voller Widersprüche, weder überzogen neurotisch, noch allzu wüst, mit starken schwachen Momenten, charismatisch kontrolliert, und immer auch einer von uns: zum Ungeheuerlichen verführbar.

Vordergründige Effekte wie ein Rollator für den greisen Duncan oder ein schales FDP-Wahl-Witzchen wirken in dieser sonst so zeitlos-konzentrierten Inszenierung, die Engel nach Thomas Braschs kantiger Übersetzung auf knapp 100 Minuten gestrafft hat, nur deplatziert. Die abrupte Verwandlung der Lady von der mädchenhaft-machtgeilen Circe im Blümchenkleid zur schauerlichen Büßerin muss bei diesem Tempo aber schon die Schutzlosigkeit der Nacktheit beglaubigen.

Brutalität und Politiksind weitgehend ausgeblendet

Am Ende läuft dieser Macbeth, von dem Engel das Seelendrama wollte, die Brutalität aber weitgehend ausblendet wie das politische Erben-Drama, fast freiwillig ins feindliche Schwert. Der Tyrann ist tot, die Messer der nächsten Aufsteiger und Usurpatoren sind schon wieder gewetzt. Am blutigen Shakespeare-Brocken wird man in Engels „well done“-Fassung trotzdem nicht allzu schwer zu schlucken haben.

Weitere Termine: 12. und 26. Oktober, Karten: Tel. 0201-8122-200