Duisburg. . Stimmlich nicht ungetrübt, szenisch mit Schwachstellen. Ein ganz großer Wurf ist die neue Traviata an der Rheinoper nicht. Die Inszenierung der Verdi-Oper war zuvor in Leipzig zu sehen.
Das Schönste am Theater ist Verheißung, der Augenblick davor. Diesem süchtigmachenden Moment folgte im Verdi-Jahr 2013 in unserer Region mehrfach blanke Enttäuschung. Auch die neue „Traviata“ an der Rheinoper ist ein Stück davon entfernt, glanzvolle Gabe zum 200. Geburtstag zu sein.
Tränen in den Augen der Sopranistin
Das kann man nur teilweise dem Titelrollen-Debüt von Brigitta Keles zuschreiben. Die zweifellos Begabte zeigte im fordernden Ende des ersten Aktes Premieren-Nerven: Nur unter Druck sprach das Piano geräuschig an, die Sempre-Libera-Spitzen bellte sie fast. Keles fing sich später, ihr glückte ein anrührendes Finale. Der sinnlich mattierte Sopran hat zweifellos Potenzial. Als das Publikum ihre Leistung feiert, treten Tränen in Brigitta Keles’ Augen.
Seinem opernruhmschwangeren Vornamen macht Jussi Myllys als Alfredo nur mager Ehre. Mögen Myllys’ Mozart-Qualitäten von Rang sein, mehr als einen Kammerspiel-Alfredo hört man nicht. Statt glänzender Tenor-Kamelien stecken eher Blümchen der schönen Müllerin in seinem Kavaliers-Knopfloch.
Alles überragt der Vater
Da strahlt der Vater – in der „Traviata“ als Hüter der Moral Urheber allen Unglücks – umso mehr: Wie Laimonas Pautienius’ Bariton Abgrund und Ehre mit balsamischer Autorität legiert, reißt das Publikum nachvollziehbar zum Jubel hin. Duisburgs Philharmoniker begrüßten am Dirigentenpult den neuen Ersten Kapellmeister der Rheinoper: Lukas Beikircher rhythmisiert vielleicht ein bisschen arg mit dem Zeigefinger. Wie durchhörbar er das starke, nie larmoyant agierende Orchester führt, zeugt von Format.
Der gute Schlussapplaus übrigens sackt hörbar ins Maue, als das Regieteam sich verbeugt. Es steht für eine mehr als sechs Jahre alte Leipziger Inszenierung, die nun Bonn, Düsseldorf und Duisburg erreicht.
Strenges Schwarzweiß, extreme Reduktion
Qualitäten sind ihr nicht abzusprechen. In strengem Schwarzweiß beschwört Regisseur Andreas Homoki mit dem agilen Chor suggestiv die Macht der Masse herauf. Grundsätzlich setzt Homoki auf dem spiegelglatten Parkett, das Frank Philipp Schlößmanns Bühne vorgibt, auf extreme Reduktion. Das schafft Luft für zarte Porträtkunst. Wie die Kurtisane „Traviata“ zwischen Männerfantasie und Schandfleck das bürgerliche Publikum anzieht, ist im stummen Spiel zur Ouvertüre von bannender Kraft.
Strenger Freiraum, lange Weile
Doch der strenge Freiraum, der zweieinhalb Stunden Schicksalsfläche spielt, bietet auch langer Weile üppig Platz. Nicht zuletzt ein oft konventionell wirkendes Gestenrepertoire nimmt dem Vorsatz, die Tragödie zu entkernen, reichlich Blut. Kitsch gibt es auch: Wenn zu Alfredos Ständchen aus der Ferne lauter Kamelien aus dem Boden kriechen, fürchtet man die Visite der Tele-Tubbies. Pannenfrei war die Aufführung ebenfalls nicht. Die Bühnenmusik holperte kurios. Möge sich all das einspielen in künftigen Vorstellungen. Verdi wäre es zu wünschen, dem (einst) verwöhnten Rheinopern-Publikum nicht minder. Karten: Tel. 0203-940 77 77