Hagen. . Kostenlose Apps für Kinder sind oft gar nicht kostenlos. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat getestet, dass In-App-Käufe bei Kinderspielen bis zu 78 Euro kosten können. Doch es gibt auch gute Apps mit pädagogischem Ansatz, die der “Generation Smartphone“ Spaß machen.

Vielleicht kennen Sie so ein Kind: Gerade mal eineinhalb Jahre alt und spricht sein erstes Wort – „da“. Damit kommt es recht weit. Den Finger ausstrecken und auf das Gewünschte zeigen: „da, da“. Holen die Eltern jedoch ein Smartphone hervor, dann klingt das „da“, verzeihen Sie den martialischen Vergleich, wie ein Maschinengewehr: „Da, da, da, da!“

Was da heranwächst, ist die Generation Smartphone. Kinder, die noch nicht lesen und schreiben können, aber schon wissen, wie sie mit dem Finger Tiere auf dem Handy hüpfen lassen.

Bereits 26 Prozent der 6- bis 13-Jährigen installieren Apps auf ihrem Mobilfunkgerät, so das Ergebnis einer Studie des „Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest“. Man könnte Abende lang darüber diskutieren, ob Apps Kindern schaden, so wie Generationen zuvor Computer und Fernseher hinterfragt haben. Und was das mit ihrer Konzentrationsfähigkeit macht, wenn sie ständig über ein Display wischen statt einer Geschichte zu lauschen. Aufhalten kann man auch diese Entwicklung nicht. Aber den Zugang beeinflussen. Doch wie? Die Auswahl an Apps, die (angeblich) für Kinder sind, ist so unüberschaubar, dass Eltern ratlos vor dem App-Store stehen. Bestseller-Listen sind kein Beleg für Qualität. Und Apps mit pädagogischem Anspruch bilden noch die Ausnahme.

Ein Blick über die Schulter verrät, ob die App auch wirklich für Kinder geeignet ist.
Ein Blick über die Schulter verrät, ob die App auch wirklich für Kinder geeignet ist. © Getty Images/iStockphoto

Viele Entwickler verfolgen ein Geschäftsmodell, das gerade bei Medien für Kinder fragwürdig ist: Zunächst locken sie mit einem kostenlosen Angebot. Ist der kleine Spieler durch die springenden Figuren angefixt, kommt er erst weiter, wenn ein zusätzliches Paket gekauft wird. Diese so genannten „In-App-Käufe“ funktionieren wie Schokoriegel an der Supermarktkasse – sie sind zum Greifen nahe und deshalb so begehrt.

„Kinder werden psychologisch unter Druck gesetzt: Wenn du nicht Gemüse für die Tiere in der App kaufst, dann verhungern sie“, nennt Carola Elbrecht, Expertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, ein Beispiel. Der Verband hat kostenlose Apps für Kinder getestet und festgestellt: Kostenlose Apps für Kinder sind oft gar nicht kostenlos. Bei einem Test von 32 Apps konnten Kinder in einigen Fällen nach wenigen Minuten erst dann weiterspielen, wenn sie für ein zusätzliches Leistungspaket bezahlten. Solche In-App-Käufe liegen preislich zwischen 99 Cent und mehreren Euro. „Bei Smurf’s Village kosteten 2000 Schlumpfbeeren umgerechnet sogar 78 Euro“, sagt Carola Elbrecht.

„Man muss dafür keine Kreditkarte haben“, so die Verbands-Expertin für die „Digitale Welt“. „Wir haben das ausprobiert, das funktioniert ganz einfach über die Telefonrechnung oder die Prepaidkarte.“

„Da werden mit allen Tricks gearbeitet“

„Ein beliebtes Instrument ist auch die Wartezeit“, so die Verbraucherschützerin. „Um weiterspielen zu können, müssen die Kinder Minuten bis zu Stunden warten. Alternativ können sie Beeren oder Perlen einlösen, für die sie wieder zahlen müssen.“ Elbrecht: „Da wird mit allen Tricks gearbeitet, um die Kinder bei der Stange zu halten und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.“ Drei Unterlassungsverfahren hat der Verband gegen die Anbieter bereits eingeleitet. Eine Forderung: „In-App-Käufe bei Kinder-Apps sollten in der Höhe begrenzt werden.“

Schon die Kleinsten wissen, wie man Tiere auf dem Handy hüpfen lässt.
Schon die Kleinsten wissen, wie man Tiere auf dem Handy hüpfen lässt. © dpa

Darüber hinaus kritisiert die Verbraucherzentrale die Werbung in manchen Apps, die nicht klar von den Spielen getrennt sei. Zudem gebe es Anzeigen, „die die Entwicklung von Kindern beeinträchtigen können“. So wurde ein Internet-Casino und ein Flirt-Chat angepriesen

Die Buchverlage, die für Qualität stehen, sind gute Adressen. Allerdings ist die Auswahl an Apps bei ihnen geringer. Die meisten tasten sich an den Markt heran. Die Kosten für die Entwicklung sind hoch, der Gewinn niedrig – wenn man nicht Verkaufstricks und Werbung einbaut. Denn für eine App zahlt man viel weniger als für ein Buch. Nur bei Pixi von Carlsen ist der Unterschied gering: Die empfehlenswerten Apps kosten 10 Cent weniger als ein Buch (0,99 €).

„Tigerbooks“ hilft bei der Auswahl

Die meisten Apps von Kinderbuchverlagen bestehen aus Büchern, bei denen die Figuren animiert sind oder die Geschichten um kleine Spiele erweitert wurden. Die Grenze zwischen Buch und Spiel ist dabei fließend. Eine Hilfe bei der Auswahl ist „Tigerbooks“. Diese kostenlose App funktioniert wie ein gut sortierter Kinderbuchladen, in dem mehrere Verlage – darunter Oetinger und Dressler – E-Books und leicht animierte Bücher verkaufen. Schön ist, dass man die Auswahl eingrenzen kann: ob man für Mädchen oder Jungen sucht und für welches Alter. Da können sich Kinder auch alleine bedenkenlos inspirieren lassen.

Ansonsten: Den Text zur App durchlesen, sie zumindest anspielen und so kontrollieren, ob Werbung zugeschaltet wird, rät die Verbraucherschützerin Elbrecht. Und danach gilt wie bei allen Medien: Ein Erwachsener sollte gerade kleine Kinder nicht alleine damit spielen lassen.

Apps für Kinder im Test 

Wir haben folgende Kinder-Apps für sie getestet:

Ein Streichelzoo der besonderen Art
Ein Streichelzoo der besonderen Art

Bei diesem „Streichelzoo“ halten die Tiere nie still: Mit dem Finger über Hase oder Giraffe streichen – und schon wackeln die Löffel oder der lange Hals kreist. Die einfachen Zeichnungen verändern sich mit viel Fantasie. Der Kinderbuch-Illustrator Christoph Niemann hat „Petting Zoo“ erdacht (iOS und Android, 1,55 €). Nicht nur für Kindergartenkinder ein Vergnügen.

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Obstgarten gibt es nun auch fürs Smartphone.
Obstgarten gibt es nun auch fürs Smartphone.

Seit Jahren zählt dieses Kinderspiel zu den beliebtesten: „Obstgarten“ von Haba. Die App-Version „Rabe Theo auf Entdeckertour“ hat nur wenig mit dem Vorbild zu tun. Kinder müssen, statt zu würfeln, viel wischen und so etwa einen Baum wachsen lassen. Die App ist kein pädagogisches Wunder, aber Eltern können beruhigt zugreifen (iOS, 2,69 €, ab 3).

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Die ganze Welt in einer Hand.
Die ganze Welt in einer Hand.

Die ganze Welt in einer Hand: Mit dem Finger können Kinder den 3D-Globus so lange drehen, bis sie über ein Land, dessen Menschen, Tiere und Bauwerke mehr erfahren möchten. Nun ist „Barefoot Atlas“ in Kooperation mit dem Thienemann-Verlag auch auf Deutsch erschienen. Es kann allerdings zu Lade-Schwierigkeiten kommen. (iOS, 4,49 €, ab 4)

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Spielend lernen mit Conni.
Spielend lernen mit Conni.

Dass Mathe ein spielerisches Vergnügen sein kann, zeigt der Auftakt einer neuen App-Reihe: „Conni Lernspaß“ von Carlsen. Schüler der ersten Klasse können dort mit Drachen und Gespenstern das Zählen und einfache Rechnungen üben. Wer eine Aufgabe schafft, wird mit dem nächsten Spiel belohnt (iOS und Android, 2,69 Euro, das erste Spiel geht ab 4).

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Cornelia Funke hat eine App zur Buchreihe „Reckless“ herausgebracht.
Cornelia Funke hat eine App zur Buchreihe „Reckless“ herausgebracht.

Wie die Zukunft der Apps aussieht, zeigt Cornelia Funke. Die Autorin und Illus-tratorin hat parallel zu ihrer Buchreihe „Reckless“ eine fantasievolle „Spiegelwelt“ erschaffen, die einen staunen lässt. Buchkunst und App verschmelzen zu einer neuen Art des Erzählens. Allerdings gibt es „Mirror-World“ bisher nur auf Englisch und fürs iPad (5,49 €) – ab 12.