Salzburg. . Der Deutsch-Norweger Stefan Herheim wurde für seine Wagner-Inszenierung in Salzburg gefeiert. „Die Meistersinger von Nürnberg“ zeigt er in komödiantischen Biedermeier-Bildern.

Trillerpfeifen und Buhorkane für das Regie-Team? Wie gerade nach dem neuen „Ring“ in Bayreuth? Die gab es in Salzburg nicht. Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ in der märchenhaften Inszenierung von Stefan Herheim feierte das feine Festspielpublikum in Smoking und langen Roben stattdessen fast 15 Minuten lang, mit Ovationen. Und das nach einem Sechs-Stunden-Marathon.

Beflügelt waren die meisten vom zügigen, luftigen Wagner-Sound der Wiener Philharmoniker unter Daniele Gatti und den komödiantisch aufgedrehten Biedermeier-Bildern des Starregisseurs Herheim. Bereits 2007 hatte er im Essener Aalto mit Mozarts „Don Giovanni“ in einer kreisenden Kathedrale ein nachhaltiges Werk geschaffen und avancierte prompt zu Deutschlands Regisseur des Jahres. Begeisterung für ihn auch in Salzburg, sogar noch kurz vor Zwölf: Keine Spur von Erschöpfung durch die Affenhitze in der Mozartstadt. Denn anders als in Bayreuth spendet hier eine Klimaanlage wohltuende Kühle.

Bild: dpa
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Dass man sich in Salzburg erstmals nach 1938 (damals in Anwesenheit der NS-Verbrecher-Elite) wieder an die „Meistersinger“ wagt, dazu bedurfte es schon des 200. Geburtstags des Komponisten. Immerhin wurde die Lieblingsoper Adolf Hitlers mit ihren Heil!-Rufen und Verherrlichung deutscher Kunst auch bei Nürnberger Reichsparteitagen gespielt. Verständlich daher, dass der Deutsch-Norweger Herheim die Flucht ins 19. Jahrhundert antrat und Wagners Nationaloper in ein harmloses Kammerspiel verwandelte. Mit Biedermeier-Kostümen, Schaukelpferdchen, Trommel und Struwwelpeter.

Meistersinger-Handlung ins frühbürgerliche Deutschland verlegt

Herheim und Ausstatterin Heike Scheele verlegen die Dreiecks-Geschichte um Hans Sachs, Eva (die Tochter des reichen Goldschmieds Pogner) und den Junker Walther von Stolzing in Sachs’ Wohnung. Die Zeit: das frühbürgerliche Deutschland, etwa in die Entstehungsphase der Oper. So schwingen im Festwiesen-Akt die Fähnchen von Burschenschaften und Studenten, die gegen die Fürsten und für ein vereintes Deutschland kämpften. Plötzlich klingen tümelnde Gesänge wie „Ehret Eure deutschen Meister“ politisch unverdächtig.

Wie kürzlich in der Rheinoper (mit Händels „Xerxes“), so bannt und verblüfft Herheim auch hier wieder mit ausgeklügelten, ästhetischen Bildern und energiegeladenem Spiel. Während der Ouvertüre führt er in die Stube von Hans Sachs. Der Schustermeister mit Zipfelmütze und Richard-Wagner-Profil sitzt an seinem Sekretär, schreibt hektisch mit Feder auf ein Notenblatt. Auf einen Transparent-Vorhang wird Sachs’ Biedermeier-Möbelstück gezoomt, magisch zu einem realen Bühnenbild mit Orgelprospekt vergrößert, in dem die Meister ihr Wettsingen verhandeln. Sie buckeln, blähen sich auf und bangen um den Fortbestand ihrer Kunst.

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Komisch und grotesk wirken die älteren Meister ebenso wie plötzlich auftauchende Zwerge, Schneewittchen, Kater, die Stiefel tragen etc. Surreal vergrößert wird das Puppenstuben-Idyll mit Büsten von Goethe und Schiller, Schuhen, Büchern und Schränken, die Dimensionen von Häusern annehmen, und bietet die Kulisse für Herheims Komödie aus einer bildungsbürgerlichen Epoche.

Anna Netrebko in Salzburg längst ausverkauft

Auf Festspielniveau waren neben den Philharmonikern, die überwiegend lyrisch schlank musizieren und hehres Pathos vermeiden, Michael Volle: Mit samtigem Bariton gibt er einen faszinierend vielschichtigen Sachs. Überzeugend auch Peter Sonn als David und Georg Zeppenfeld als gütiger Pogner und der junge Markus Werba als listiger, tragikomischer Beckmesser. Ansonsten entsprachen die Sänger(innen) weniger den bis zu 400 Euro teuren Ticketpreisen.

Und Salzburgs Festspiel-Primadonnen? Die gibt’s reichlich. Stimmfetischisten freuen sich auf Stars wie die Deutsch-Griechin Anja Harteros, die als Elisabeth in einer Neuinszenierung von Verdis „Don Carlo“ auftreten wird. Ausverkauft sind längst auch die drei konzertanten Aufführungen von Verdis „Giovanna d’Arco“ mit Anna Netrebko. Die Königin aller Kassen ist immer noch die Nummer Eins, auch ohne Göttergatten Erwin Schrott. Der gab zwar einen Tango-Abend, lässt sich jedoch kaum noch an Annas Seite blicken. So munkelt Salzburgs Gerüchteküche, dass es bald aus sei mit dem Traumpaar. Netrebko erscheint jedenfalls kaum noch auf dem Roten Teppich, dafür Hollywoodstar Jane Seymour, amerikanische Top-Models oder die Schaefflers.