Essen. . Zwei etwas andere Widmungen zum 200. Geburtstag des Komponisten Richard Wagner: Eines stellt reichlich Fragen, das andere zeigt, dass man sich dem riesigen „Ring des Nibelungen“ auch kurz und sehr zeitgenössisch nähern kann.
Das Wagner-Jahr hat ganz erwartbare Fan-Artikel hervorgebracht: jede Menge Aufführungen. Und jede Menge Platten. Anders als im Falle Mozarts scheint der 200. Geburtstag des streitbaren Meisters Werkstätten von Kitsch und Dekotand kaum anzuregen.
Ein Spiel, das Lust aufs Diskutieren über Wagner macht
Zwei besondere Projekte lohnen die Beachtung. Beide sind auf ihre Art weit von langen Stunden im Opernhaus entfernt. Zwei Juristen legen im Jubeljahr das „Wagner-Quiz“ vor (Grupello, 103 Kärtchen, 10,90€). Keine Frage, der Name ist untertrieben. Es ist eine Runde für Kenner, zu der Rainer Hüttenhain und Dorita Kinzler bitten. Spaß wird sie Wagner-Freunden umso mehr bereiten, die anderen gucken lieber Günter Jauch.
Die Mischung ist gut, neben Fachfragen haben auch anekdotische Rätsel Platz. Etwa das, welcher Wagner-Tenor gerne im Campingwagen nächtigte. Man wird dieses Spiel kaum als Wettbewerb auf den Tisch bringen. Dafür aber regt es an, zu diskutieren, nachzudenken oder zu lachen über alles, was Wagner angerichtet hat. Das Dokument einer Huldigung ist es irgendwie auch.
Verrückte Fassung: der Nibelungenring für nur einen Schauspieler
Viel größer ist die Distanz, die der Schauspieler Stefan Kaminski uns um die Ohren haut. Bekanntlich wächst kein Gras mehr, wo der Dresdner solo durchs Rollenarsenal der Literatur streift. Aber weghören? Unmöglich! Die geläufige Gurgel des gnadenlos begabten Vielstimmigkeitsartisten macht auch vor dem „Ring des Nibelungen“ (Goyalit, 4CD, 29,99€) nicht Halt. Gefeiert wurde die verrückte, aber nicht respektlose Dekonstruktion sogar in Berlins Philharmonie.
Was trägt Merkel bei den Festspielen?
Was hören wir? Den Ring als Akustik-Comic, mal Vater der Klamotte (Mime), dann aufrichtig rührender Liebesschwur (Siegfried). Die Körperlichkeit dieses Parforceritts verliert auch aus der Klangkonserve nicht an Magie. Werktreue Opernfreunde werden sich abwenden, obwohl es Originaltexte gibt. Doch Kaminskis Band schreddert Wagner beherzt durch, nicht mal die Trillerpfeife ist tabu. Das Ergebnis ist ein extrem theatralisches Pop-Art-Hörspiel aus großen, spannenden Geschichten, eine Helden-Performance bis zur Verausgabung. Neues gesungen wird auch. Aber wer sagt uns, ob nicht Siegfrieds „Friedenssong“ jungen Hörern die Brücke baut, eines Tages die vierfache Zeit dafür in Bayreuth zu investieren?