Bayreuth. Jan Philipp Glogers Inszenierung von Wagners „Fliegendem Holländer“ hat sich auf dem Grünen Hügel im zweiten Anlauf durchgesetzt. Die Eröffnung der Festspiele mit der Regie-Arbeit des 31-jährigen gebürtigen Hageners wurde nicht nur von Joachim Gauck und Angela Merkel gefeiert.
Die Bravos übertönen die Buhrufe mit Orkangewalt: Jan Philipp Glogers Inszenierung von Wagners „Fliegendem Holländer“ hat sich auf dem Grünen Hügel im zweiten Anlauf durchgesetzt. Die Eröffnung der Festspiele mit der Regie-Arbeit des 31-jährigen gebürtigen Hageners wurde nicht nur von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel gefeiert, sondern war zugleich auch in gut 200 Kinos und im Fernsehen zu erleben.
Der Holländer ist heillos gefangen zwischen himmelhohen Schaltkreisen. Das Datenmeer hat ihn reich gemacht, doch was man sich für Geld und Informationen kaufen kann, dessen ist er längst überdrüssig. Als er auf Daland trifft, Handlungsreisender in Sachen Ventilatoren, wittert er ein letztes Geschäft: Dessen Tochter Senta soll ihm Heimat und Treue liefern.
Inniger Schattentanz
Gloger ist ein Meister der Figuren-Psychologie. Er erklärt die Motivation seiner Protagonisten behutsam, aber er verrät oder beschädigt sie nie. So wie der Holländer sich ein Bild seiner Idealfrau gemacht hat, so schnitzt sich Senta den Wunsch-Mann zurecht. Das kann nicht gut gehen. Und doch finden die beiden auf der Drehbühne zu einem so zarten und innigen Schattentanz zusammen, dass man hofft, die Katastrophe ließe sich noch abwenden.
Wagners Jägerbursche Erik ist in dieser Interpretation des Stoffes der einzige unkorrumpierbare Charakter, der Senta sein gutes Herz ebenso zu Füßen legt wie seine seine Silikonpistole und sein leeres Portemonnaie und damit die Tragödie auslöst.
Die Geschichte entfaltet im Zusammenspiel von Personenführung und Raumlösung einen geradezu magischen Sog. Bühnenbildner Christof Hetzer baut mit seinem nachtschwarzen Datenlabyrinth in Wahrheit einen ausweglosen Käfig. Der Männerchor zieht in dieses globale Ambiente Dalands Fabrik wie eine Insel – ein verblüffender Überraschungseffekt. Die ist das Heim der gierigen Spießer. Die Frauen verpacken Ventilatoren im Akkord des Spinnerinnenliedes, die Männer lassen sich vom Steuermann im stampfenden Matrosenchor-Takt verkaufsgeil machen. Alle drohen ständig abzustürzen ins bodenlose Spiegelmeer des Fußbodens, aber das merken sie nicht. Der Holländer und Senta erkennen einander, weil beide von ihren Träumen gezeichnet sind. Aber erlösen können sie sich gegenseitig nicht für ewig. Sentas Selbstopfer gerinnt zur Ware, denn in Dalands Fabrik werden fortan kitschige Leuchten hergestellt, die das im Liebestod vereinte Paar zeigen.
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Christian Thielemann ist ein Maestro, der aus Wagners Partituren Dinge heraushört, die anderen Dirigenten entgehen. Den „Holländer“ legt er mit sensationell flottem Tempo an, unglaublich gespenstisch die erste Szene, in der das Grauen mit seinen herzklopfenden Generalpausen regelrecht körperlich erfahrbar wird. Dann klingt das Orchester beim Treueschwur plötzlich weihevoll wie eine Orgel: Welcher Dirigent schafft es sonst, derart erhellende Details herauszulesen? Regie und Dirigat gehen stimmig zusammen, und auch die Sänger haben Fallhöhe. Benjamin Bruns singt sich als Steuermann für größere Aufgaben im Heldentenorfach warm. Ricarda Merbeth ist eine Senta mit hellglühendem Sopran, etwas schrill vor Nervosität anfangs noch, doch dann intensiv und leidenschaftlich. Daland Franz-Josef Selig, aufgewachsen in der Eifel und in Essen zu einem der besten Vertreter seines Fachs herangewachsen, schafft auch die gefürchtete Klippe, wenn Wagner den schweren Bass plötzlich vor lauter Gewinnerwartung im italienischen Stil jubilieren lässt. Tomislav Muzek kann den Erik mit ebensoviel Tenorglanz wie weichen, warmen Tönen gestalten. Und Samuel Youn muss sich als Holländer zwar ebenfalls erst freisingen, hat aber die dämonische dunkle Farbe ebenso im Timbre wie das lyrische Aufleuchten des hoffnungsvollen Liebenden.
Dass der Bayreuther Opernchor allein schon die Reise zum Grünen Hügel wert ist, bestätigt der „Holländer“ eindrücklich.
Was trägt Merkel bei den Festspielen?
Auch Sabin Tambrea bei Premiere
Während der hochbegabte Hagener Jan Philipp Gloger sich auf der Bühne verbeugt, sitzt ein weiterer hochbegabter junger Hagener begeistert im Publikum. Schauspieler Sabin Tambrea ist auf Einladung der Bayerischen Staatskanzlei unter den Premierengästen und auch anschließend beim Staatsempfang im Neuen Schloss – seine Darstellung des König Ludwig in dem gleichnamigen Kinofilm hat ihn in Bayern zum Star gemacht. „Ich bin sehr, sehr stolz, dass Jan Philipp in Bayreuth inszeniert“, freut sich Tambrea für seinen Kollegen. „Er hat ein ganz tolles Gespür dafür, mit seiner Inszenierung die Musik zu unterstützen. Das ist eine große Qualität.“