Bayreuth. Landauf, landab Wagner: Der Jubilar beschäftigt in diesem Jahr die Kulturszene. Doch keine Neuinszenierung wird mit so großer Spannung erwartet wie der “Ring des Nibelungen“ bei den Bayreuther Festspielen.
Man kommt in diesem Jahr nur schwer an Richard Wagner vorbei. Zu seinem 200. Geburtstag haben sich seine Werke in den Spielplänen fast aller Opernhäuser und Orchester in Deutschland breitgemacht. Zahlreiche Bücher sind erschienen, das Fernsehen brachte Dokus zum umstrittenen Erneuerer des Musiktheaters. Und jetzt kommt Bayreuth. Jetzt kommt der neue "Ring des Nibelungen". Die Wagner-Gemeinde blickt mit großer Spannung in die fränkische Stadt. Am 25. Juli werden dort traditionell die Festspiele eröffnet.
Um den "Ring" im Jubiläumsjahr gab es schon seit Jahren immer wieder Schlagzeilen. Wim Wenders und eine Reihe anderer namhafter Regisseure waren im Gespräch. Schließlich verpflichteten die Festspielleiterinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier Frank Castorf. Der Intendant der Berliner Volksbühne gilt als "Stückezertrümmerer", als einer, der sich nicht um Konventionen schert und gerne auch ins Werk an sich eingreift. Das ist in Bayreuth natürlich tabu - die Partitur ist nicht veränderbar. Die musikalische Leitung hat Kirill Petrenko inne, der neue Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper in München.
Ob das der Drache ist?
Castorf und Petrenko halten sich vor der Bayreuth-Premiere auffällig zurück. Der Beobachter am Grünen Hügel sieht nur, wie seit Beginn der Proben immer wieder Bühnenbilder mit großen Lastern vom Festspielhaus in die Lagerhallen im Industriegebiet gefahren werden und wieder zurück. Manchmal sieht man große Ungetüme unter Plastikplanen. Ob das der Drache ist?
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Castorf hatte sich vor einigen Monaten geäußert, dass er den "Ring" als Kampf ums Erdöl - dem Gold unserer Tage - sehe. "Das, was man bislang sehen kann, ist beeindruckend", verriet Katharina Wagner kürzlich bei einem Termin in Berlin. Sie habe nicht das Gefühl, dass Castorf Dinge tue, nur um zu provozieren. Er sei ein guter Regisseur.
Dirigent Christian Thielemann ist der große Star
Und sonst? Das Festival wird eröffnet von "Der Fliegende Holländer", die Aufführung wird live in viele Kinosäle übertragen. Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben sich angesagt, um über den roten Teppich zu schreiten und über das Königsportal das Festspielhaus zu betreten. Die "Holländer"-Inszenierung von Jan Philipp Gloger galt im Vorjahr vielen Beobachtern als zu brav; über jede Kritik erhaben dagegen war Dirigent Christian Thielemann. Das dürfte auch in diesem Jahr nicht anders sein, Thielemann ist längst zum großen Star am Grünen Hügel avanciert.
Heftiger waren die Reaktionen auf die Neuproduktion des Jahres 2011 ausgefallen - Sebastian Baumgartens "Tannhäuser"-Deutung mit einer Biogasanlage auf der Bühne stieß allgemein auf Ablehnung. Man darf vermuten, dass Castorfs "Ring" dem provokanten "Tannhäuser" nähersteht als dem soliden "Holländer".
Der Putz bröckelt
Die prominenten und weniger prominenten Wagner-Anhänger werden in diesem Jahr vor einem eingerüsteten Festspielhaus flanieren. Die Gerüste mussten aufgestellt werden, damit von der sanierungsbedürftigen Fassade nichts herabfällt und Passanten gefährdet. Aber dank großer Plakatwände, auf denen die Fassade aufgedruckt ist, wird man beim ersten Blick gar nichts von den Gerüsten bemerken. Erst beim zweiten Hinsehen wird man merken, dass hier der Putz bröckelt. Die Renovierung des baufälligen Festspielhauses könnte Schätzungen zufolge rund 48 Millionen Euro kosten. Noch ist unklar, wann genau die Arbeiten beginnen können.
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Dem Wagnerjahr ist es zu verdanken, dass zur Festspielzeit in Bayreuth noch eine ganze Reihe weiterer künstlerischer Aktivitäten zu sehen sind: Der Künstler Ottmar Hörl stellt 500 Wagner-Figuren aus Plastik auf, die meisten davon im Park rund um das Festspielhaus. Ernsteren Hintergrund haben die Tafeln, die zur Schau "Verstummte Stimmen" gehören und auf das Schicksal jüdischer Festspiel-Mitwirkender hinweisen.
Haus Wahnfried ist zum Jubiläumsjahr eine Baustelle
Das Richard-Wagner-Museum zeigt gemeinsam mit dem Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum im Buddenbrookhaus Lübeck und dem Thomas-Mann-Archiv Zürich die Ausstellung "Liebe ohne Glauben - Thomas Mann und Richard Wagner" - und zwar im Neuen Rathaus.
Im Haus Wahnfried, dem eigentlichen Sitz des Museums, öffnet die Wanderausstellung "Götterdämmerung" über Wagners Mäzen Ludwig II. von Bayern. Das ist freilich nur eine Behelfslösung, denn Wahnfried ist zum Jubiläumsjahr eine Baustelle. Viel Spott und Unverständnis hat das der Stadt und den anderen Verantwortlichen eingebracht. Aber womöglich wird der neue "Ring" für so viel Gesprächsstoff sorgen, dass die Pannen ums Gerüst am Festspielhaus und das unfertige Museum in den Hintergrund geraten. (dpa)