Mülheim. . Mit „Muttersprache Mameloschn“ von Marianna Salzmann, die im vergangenen Jahr eine erstaunliche Karriere an den deutschsprachigen Bühnen erlebte, eröffneten die 38. Mülheimer „Stücke“-Tage auf komödiantische Weise. Es geht um die Schwierigkeiten von Jüdinnen mit dem Jüdischsein.

Der Stücktitel „Muttersprache Mameloschn“ ist eigentlich eine Doppelung, denn beide Worte, das zweite aus dem Jiddischen, meinen dasselbe. Um drei jüdische Frauen aus drei Generationen geht es in Marianna Salzmanns Komödie, die am Samstagabend die 38. Mülheimer Theatertage „Stücke“ eröffnete.

Die junge Autorin (27) ist in dieser Spielzeit mit Macht über das deutsche Theater gekommen, wo gleich fünf ihrer Arbeiten uraufgeführt wurden. Dass dies kein dramatischer Irrtum ist, zeigt schon Brit Bartkowiaks Einrichtung ihrer „Mameloschn“ am Deutschen Theater Berlin. Hinter leichtfüßigen Dialoggefechten, die manchmal fast an Boulevard gemahnen, bauen sich ganz unmerklich drei jüdische Biographien voller bitterer Erfahrungen auf.

Zunächst ist da Großmutter Lin (Gabriele Heinz), die als Kommunistin nach dem Krieg ganz bewusst in die DDR gegangen ist, weil im Antifaschismus bekanntlich kein Antisemitismus existiert – ein schwerer Irrtum. Lins Tochter Clara (Anita Vulesica) hat sich vom Judentum längst abgewandt, sieht sich nur noch als Deutsche, verzweifelt aber sichtlich an ihrem Dasein als wurzelloses Wesen. Genau das will Claras Tochter Rahel (Natalia Belitski) nicht durchmachen, weshalb sie nach New York flieht, um in der Ferne wieder Nähe zur jüdischen Kultur und vielleicht auch wieder zu ihrer Mutter zu finden. Die Nähe zum Publikum hat sie längst, denn Rahel ist diejenige, die an der Rampe immer wieder jüdische Witze erzählt.

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Von Julia Blättgen

Drei wunderbare Schauspielerinnen triumphieren hier mit einem Text, der in der Zeit zwar gelegentlich springen mag, der aber geradezu fabelhaft beiläufig und mit viel Witz den Hintergrund der drei Frauen genau ausmalt. Das Trio bewegt sich dabei in einem mit Mobiliar hoffnungslos überfrachteten Raum, der mehr an Sperrgut denken lässt denn an Wohnlichkeit. Wenn man sie hier räumen sieht und Clara mal wieder mit viel Kraftanstrengung die Couch verschiebt, dann ist das auch bildhaft gemeint: Hier müht sich eine durch die Ebene des Lebens, während die junge Rahel längst auf dem Weg zum Gipfel ist und glücksstrahlend einen Turm aus Tischen und Stühlen erklommen hat.

In knapp 90 Minuten entwirft die Autorin hier mit ihrer szenischen Patchwork-Technik ein starkes Stück Theater, das vor allem auch Lust auf mehr Theater macht. Der „Stücke“-Wettbewerb kann da bis zum 29. Mai noch mit sieben weiteren Inszenierungen aushelfen.