London. Von Monteverdi über Bach bis Strawinsky - der britische Dirigent John Eliot Gardiner hat in den vergangenen Jahrzehnten viele der großen Komponisten interpretiert. Aber, so Gardiner zu seinem 70. Geburtstag, es gibt noch viel zu tun. Zum Ausruhen und Rasten hat nach eigenem Bekunden keine Zeit.
Es war typisch für John Eliot Gardiner, seinen 70. Geburtstag offiziell mit einem "Bach-Marathon" zu feiern. Das Publikum konnte während des neunstündigen Konzerts in der Royal Albert Hall in London die Osterkantate "Christ lag in Todesbanden" mitsingen. "Bach war immer Teil meines Lebens", sagte Gardiner bei der Vorstellung am Ostermontag. Seinen Geburtstag am 20. April feiert er privat mit einem großen Fest. "Ich freue mich riesig auf diese Party, sie fällt auf einen freien Tag, ich habe in den letzten Wochen, Monaten, Jahren pausenlos gearbeitet", sagte der Dirigent der Nachrichtenagentur dpa.
Obwohl Gardiner als führender Interpret der Barock-Musik gilt und engstens mit der Musik von Johann Sebastian Bach assoziiert wird, will er nicht als "Spezialist für Alte Musik" kategorisiert werden."Ich war noch nie ein Spezialist für irgendwas", sagt er. Händel, Mozart, Beethoven, Berlioz, Brahms und jüngst sogar Igor Strawinsky - gehören zu seinem Repertoire.
"Musik und Demokratie passen nicht zusammen"
"Ich liebe den Kontrast zwischen der Arbeit mit früher Musik aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die mich zu den Wurzeln meiner Kindheit zurückführt, und der zeitgenössischen Musik," sagte Gardiner. Während Bachs Messe in h-Moll sein Lieblingsstück ist und bleibt, erhält Monteverdi (1567-1643) den Rang seines Lieblingskomponisten. "Monteverdi ist der Shakespeare der Musik. Er überträgt die menschliche Leidenschaft und Emotion in die Musik. Niemand kann ihm das Wasser reichen," sagte Gardiner der BBC.
Gardiner, der bereits in the 1960er Jahren das bis heute gefeierte Monteverdi Orchestra gründete und vornehmlich mit seinen eigenen English Baroque Soloists spielt, hat seit 1998 auch seinen eigenen Plattenlabel - geführt von seiner (dritten) Frau, der Italienerin Isabella de Sabata. Als Dirigent sei er eher "autokratisch" als "demokratisch", sagte Gardiner der BBC. "Musik und Demokratie passen nicht wirklich zusammen." Auch im Privatleben gesteht er Mängel ein. "Ich habe es inzwischen dreimal mit der Ehe versucht, und ich habe immer noch nicht die richtige Methode gefunden." Nach seinen Hobbies befragt, nennt er Cricket, Rugby und Sex.
Land, Natur und Musik
Gardiner, dessen neue Bach-Biografie im Herbst 2013 herauskommt, erhofft sich für die Zukunft, dass die klassische Musik breiteren Schichten, und insbesondere jungen Menschen, nahegebracht wird. "Fälschlicherweise" sei die klassische Musik mit dem Vorurteil belegt, einschüchternd und unzugänglich zu sein. Darin seien nicht zuletzt die Musiker Schuld. "Wir müssen es für junge Leute cool machen, auf Konzerte zu gehen," sagte Gardiner.
Wenn er nicht, irgendwo auf der Welt, auf dem Dirigentenpult steht, ist Gardiner auf seinem Bio-Bauernhof in Dorset, in Südwest-England, aktiv. Von ihm wird berichtet, dort schon im Dirigenten-Frack Osterlämmer in die Welt geholt zu haben. "Es ist mir schon passiert, dass ich auf der Park Avenue in New York einen Anruf bekomme, dass Rinder entlaufen sind oder Lämmer Pasteurellose haben", sagte Gardiner einmal. Für ihn gehören die Beschäftigung mit Land und Natur und die Musik unzertrennlich zusammen.
Gardiner wuchs auf einer Farm auf, bevor er in Cambridge Arabisch und Geschichte studierte. "Ich liebe die Rituale und Rhythmen des landwirtschaftlichen Jahres - mit Musik und Tanz. Weder in der Musik noch in der Landwirtschaft ist Nostalgie angebracht. Beide verlangen Kühnheit und die Bereitschaft, nicht den konventionellen Weg einzuschlagen." (dpa)