Berlin. . Wie geht man mit Juden um? Viele haben Angst ein Tabu zu brechen oder sich lächerlich zu machen. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin arbeitet die häufigsten Fragen zum Thema Judentum auf - mutig und manchmal auch komisch.

„Mensch, Sie sehen aber jüdisch aus.“ In den USA hört er das ständig. Leeor Engländer, 30 Jahre alt, zierlich, rothaarig, scharf geschnittene Nase, hellwache Augen. In Deutschland dagegen „traut sich das keiner“. Zu Recht? Zu Unrecht? Höchste Zeit, die kollektive Verkrampfung zu lockern und ein paar Fragen zu stellen.

Das Jüdische Museum in Berlin hat die 30 häufigsten Besucherfragen ausgewählt und in einer Sonderschau laut gestellt: „Die ganze Wahrheit - Was Sie schon immer über Juden wissen wollten“. Woran erkennt man heute einen Juden? Darf man Jude sagen? Und über den Holocaust Witze machen? Oder ist die Frage schon idiotisch? „Nein!“, protestiert Engländer. „Es gibt keine dummen Fragen.“

Geschmacklos? Oder schwarzer Humor?

„Darf ich dir meine Telefonnummer auf den Arm schreiben?“, fragt der Junge in Dave McElfatricks Comic „Girls at Concentration Camps“ seine neue Freundin. „Oh, Mist. Kein Platz.“ Auf dem Arm steht schon eine Nummer. Geschmacklos? Oder extrem schwarzer Humor? Witze über den Holocaust sind Gratwanderungen. Der eine kann nicht darüber lachen, der andere will nicht, der dritte fragt sich: Darf man das überhaupt?

Helge Schneider singt „KZ-Klo“

„Ich darf das, ich bin Jude“ heißt das Programm des deutschen Komikers Oliver Polak. Er fragt sich da zum Beispiel, wie Comedy wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Helge Schneider singt „KZ-Klo“ statt „Katzenklo“, Dieter Hallervorden liest aus „Mein Kampf“. Palimpalim. Böser Humor oder billige Witzigkeit?

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Die US-Vorbilder sind noch drastischer. Beispiel? „Wow!-Schwitz“, die atemberaubende Erinnerungsshow. Kommt es am Ende darauf an, wer den Witz macht? Michal Friedlander, eine der Ausstellungsmacherinnen, lächelt fein: „Wir geben Ihnen keine Antwort. Wir stiften lieber Verwirrung.“

Wie bitte? Nun, sie machen es hier wie der Rabbiner, der gefragt wird, warum die Juden eine Frage immer mit einer Gegenfrage beantworten. „Warum nicht?“, antwortet er. Die Debatte ist die Antwort. Die ganze Wahrheit über die Juden? Die gibt’s nicht im Museum.

Frischluft für die deutsch-jüdische Beziehungskiste

Dafür jede Menge Frischluft für die deutsch-jüdische Beziehungskiste. Als Antwort auf die Frage „Gibt es noch Juden in Deutschland?“ setzen sich jeden Tag Juden wie Leeor Engländer kurzerhand in eine Ausstellungsvitrine und lassen sich ausfragen. Ob er schon mal antisemitische Attacken erlebt hat? „Nein, aber ich trage auch keinen Davidstern oder gehe auch nicht mit Kippa durch Neukölln.“ Sich öffentlich aussetzen - das tut er in Zeitungskolumnen und im Museum. Und sofort ist sie wieder da, die Reflexfrage: Ist das erlaubt? Heißt es dann nicht gleich: „Deutsches Museum stellt Juden aus“? Wenn einer überhaupt so etwas machen darf, dann das Jüdische Museum.

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Aber wer gilt denn heute überhaupt als Jude? Frag den Rabbi! „Wer eine jüdische Mutter hat oder konvertiert ist“ - das ist die traditionelle Antwort. Wenn sich einer aber bloß als Jude fühlt - „soll ich dann sagen: Du bist kein Jude, weil deine Mutter keine Jüdin war?“, fragt dagegen Irit Shillor, Rabbinerin der Jüdischen Gemeinde in Hameln.

Israels erster Premierminister David Ben-Gurion sah die Sache selbstironisch: „Für mich gilt jeder als Jude, der meschugge genug ist, sich selbst einen zu nennen“. Und was ist mit den vielen Nicht-Juden, die aber mit dem Jüdischsein liebäugeln oder denen schnell mal unterstellt wird, dass sie Juden sind? Autor Harald Martenstein wegen seines Namens und seines angeblich jüdischen Humors, Popstar Justin Bieber wegen seines hebräischen Tattoos, Fußballer David Beckham wegen seines jüdischen Großvaters.

Leeor Engländer, in seiner Vitrine, hat dann doch noch eine Antwort auf die Frage, ob einer Witze machen darf über Auschwitz. „Wenn er gut ist.“ Pause. „Nein, mal ernst: Wer den Holocaust verstanden hat, darf so viele Witze darüber machen, wie er will.“ Darüber ließe sich nun lange streiten. Aber das wollen sie ja so.