Paris. . Lange waren große Gemälde deutscher Maler in Frankreich allenfalls Kennern ein Begriff. Eine große Ausstellung im Pariser Louvre zeigt ihr erstrangiges Schaffen vom 19. Jahrhundert bis zur Moderne. Anlass ist die 50-Jahr-Feier des Elysée-Vertrages.
Die 50-Jahr-Feier des Elysée-Vertrages macht’s möglich: Deutschland präsentiert sich im Pariser Louvre in den nächsten drei Monaten von seiner besten Seite. „De l’Allemagne“ heißt die Ausstellung, die deutsche Malerei aus dem 19. und 20. Jahrhundert in den Blickpunkt rückt. Eine anspruchsvolle Schau mit großem Aha-Effekt. Sie spiegelt eine kolossale Schaffenszeit wider, die von den Tagen des Sturm und Drang und der Frühromantik bis zur Moderne reicht. Eine Periode, die in Frankreich jedoch völlig ausgeblendet wurde. Mit rund 200 Werken wird deutsche Malerei in einer nicht gekannten Fülle gezeigt.
Der Louvre, mit jährlich über zehn Millionen Besuchern das meistbesuchte Museum der Welt, bietet den Friedrichs und Beckmanns, den Corinths und Carus zugleich eine internationale Bühne. Den Impuls gab das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris. Frankreichs Premier Jean-Marc Ayrault, ein Germanist, staunte. „Ein hervorragendes Ereignis und eine exzellente Einführung in die deutsche Seele“, sagte er zur Eröffnung: „Ich habe viel Neues gelernt über die Sehnsucht der Deutschen, ihre Einheit zu finden.“
Tischbeins Goethe erstmals außerhalb Deutschlands
Die Ausstellung beginnt mit einem Ausrufezeichen: mit Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins „Goethe in der Campagna“ (1787), das erstmals außerhalb Deutschlands gezeigt wird. Der Dichterfürst zu Beginn, das ist kein Zufall.
Denn an ihm, dem „Olympier“, ist die ganze Ausstellung aufgehängt. Mit ihm wird der Bogen zu Paul Klee und zum Weimarer Bauhaus gespannt. Ein eigener Raum, unter anderem mit Goethes kostbarer Mineralien- und Pflanzensammlung, widmet sich dem Universalgelehrten: dem Botaniker, dem Geologen und „Farblehrer“.
„Über Deutschland“: Der Ausstellungstitel orientiert sich an Madame de Staëls Klassiker von 1813, den Napoléon wütend einstampfen ließen. Sie entdeckte damals einen Menschenschlag mit „sanften Seelen und sanften Phantasien“, „aufrichtig und treu“. Ein Volk, in dem sie „große Kühnheit im Denken mit folgsamstem Charakter“ vorfand und eine „unterentwickelte Freiheitsliebe“.
Sehnsuchtsorte der Goethe-Generation
Dass das antike Rom und noch mehr Athen zu den Sehnsuchtsorten der Goethe-Generation aufstiegen, arbeitet der erste Teil der Ausstellung fein heraus. Die Künstler sind Suchende, die danach trachteten, dem losen Bündel aus Fürstentümern, freien Städten und Monarchien ein einigendes nationales Band umzulegen. Dagegen gesetzt werden die religiöse Welt der „Nazarener“ und „Deutschrömer“ (Friedrich Overbeck, Franz Pforr und Joseph Anton Koch) sowie eine mittelalterliche Märchenidylle aus Rittern und Prinzessinnen, Zwergen und Elfen.
Immer wieder spielt die Ausstellung mit Kontrasten: Hier Leo von Klenzes „Walhalla“, das die Akropolis als Vorbild hat, dort die gotische Kathedralen von Caspar David Friedrich. Der in sich gekehrte, naturverliebte und sehr patriotisch gesinnte Frühromantiker, von ihm sind allein 20 Gemälde ausgestellt, ist der zweite Star der Schau. Zusammen mit Carl Gustav Carus rückt er die Natur und faszinierende Landschaften in den Blickpunkt. Bemerkenswerte Unterschiede bringt immer wieder der Vergleich zwischen den Künstlern dies- und jenseits des Rheins zutage. Während die Manets und Monets Nacktheit etwa sehr realistisch abbilden, bevorzugen Böcklin, von Stuck und Corinth Motive aus der griechischen Mythologie.
Bis in die Tage der Weltkriege
Auf Adolph Menzels großformatigen Klassiker „Eisenwalzwerk“ (1872-75) folgt in der dritten Abteilung „Ecce Homo“ ein jäher Bruch, der in den Ersten Weltkrieg, Weimar und die Nazi-Diktatur mündet. Max Beckmanns Exil-Werk „Hölle der Vögel“ (1938), eine Allegorie auf Hitlers Barbarei, setzt einen ergreifenden Schlusspunkt. Die aufwühlenden Werke von George Grosz, Otto Dix, Christoph Schad, Käthe Kollwitz, Lovis Corinth zeigen zerfetzte Leiber, geschundene Natur, eine entmenschlichte Welt und somit das verstörende Ende jeglicher „sanfter Phantasie“.