Köln. Sechs Autoren haben kurze Geschichten für das Kölner Literaturfest lit.Cologne geschrieben, Thema: Ressentiments. Präsentiert haben sie diese bei dem Literaturabend “Uraufführung“. Auch wenn das Thema der Geschichten dasselbe ist, könnten die Inhalte unterschiedlicher nicht sein.

Der kleine Jens ist hässlich und liebt Dinosaurier. Die Frau auf der Bühne, die seine Geschichte vorträgt, ist jung und hübsch. Antonia Baum liest vor, wie der Junge von seinen Klassenkameraden dafür gehasst wird, dass er anders ist. Die 28 Jahre alte Schriftstellerin präsentiert auf dem Literaturfest Lit.Cologne ihren jüngsten Text. Dieser entstand für das Kölner Literaturfestival, das dieses Jahr zum 13. Mal stattfindet. Mit fünf anderen Autoren hat sie über das Thema "Ressentiment" - also die gefühlsmäßige, oft unbewusste Abneigung - geschrieben.

Die Lit.Cologne wird bei dem Vortrag zum Ort, an dem Literatur nicht nur präsentiert wird, sondern entsteht: Das war die Idee zu diesem Abend, der mit dem Titel "Uraufführung" überschrieben ist. Ihr Text, erzählt Antonia Baum, sei ihr einfach so passiert. "Ich habe den an einem Abend geschrieben und war sehr glücklich danach.

Sechs Blickwinkel auf ein Thema

Die Bühne im WDR-Sendesaal am Wallrafplatz in Köln ist an diesem Abend nüchtern gehalten, zwei schwarze Pulte stehen dort, ein Glas Wasser auf jedem, jeweils ein Mikrofon. Die Autoren betreten die Bühne, lesen ihre Texte und verlassen das Scheinwerferlicht wieder. Das Thema Ressentiment, dieses Gefühl, das Moderator Roger Willemsen unter anderem nach Lessing als neidische Verachtung definiert und das heutzutage unter dem Begriff "Shitstorm" firmiere, hat sechs sehr unterschiedliche Texte entstehen lassen.

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Der österreichische Autor Michael Köhlmeier hat eine grausame Geschichte mit dem Titel "Der Schwedenkuss" geschrieben, die während des Dreißigjährigen Krieges spielt. "Hätte Roger Willemsen mich nicht darum gebeten, wäre der Text nicht da", sagt der 63-Jährige nach der Veranstaltung. Seinen Text findet Doreen Reeck, die im Publikum sitzt, am eindrücklichsten. "Das Konzept, so Literatur zu vermitteln, finde ich sehr spannend. Es gibt einen thematischen Bogen, und es ist dennoch abwechslungsreich", sagt die 34-Jährige, die als freie Lektorin arbeitet.

Schriftsteller Wolf Wondratschek trägt einen Text vor, in dem er Kritik übt an dem Geschäft, zu dem Literatur gemacht wird, an Kritikern und an Verlegern. Mit einem Verleger trägt dann auch sein Protagonist, ein Autor, einen Kampf über sein Werk aus, in dem der Schriftsteller der Unterlegene ist. Und doch: "Der Ruhm gehört den Besiegten", schließt Wondratschek und verlässt unter großem Applaus die Bühne. Schriftstellerin Viola Roggenkamp, die aus einer deutsch-jüdischen Familie stammt, lässt einen Juden und eine Jüdin auf einer Party ein Gespräch führen. Die beiden diskutieren über einen "protestantischen Neger aus Berlin", einen jüdisch aussehenden deutschen Vizekanzler und koscheres Essen, das für die Muslime auf der Party zubereitet worden sei, nicht für die Juden.

Ein verbitterter Autogrammjäger und Jesus am Kreuz

Thomas Glavinic hat einen Text über einen verbitterten Autogrammjäger geschrieben, der in einer Kneipe die "Tagesschau" sieht und alle Personen, die auf dem Bildschirm auftauchen, mit Hohn und Spott überzieht. Der Autor Navid Kermani schreibt von der Kreuzigung Jesu, von den Kriegsknechten, die ihn vor seinem Tod quälen.

Für Antonia Baum ist es ein gelungener Abend, auch wenn sie selbst lieber alleine zu Hause liest. Sie sei sehr nervös gewesen als sie dort vorne auf dem Stuhl saß, verrät sie. Dass sie etwas sagen wolle, sei ihr Antrieb zu schreiben. Und sie fügt hinzu: "Wenn ich nicht schreibe, fühlt es sich so an, als wäre ich nicht da."

Zum Schluss des Abends stehen die Autoren wie im Theater in einer Reihe auf der Bühne, fassen sich an den Händen und verbeugen sich vor ihrem Publikum. Von Ressentiments zwischen Autoren und Publikum ist da jedenfalls nichts zu spüren. (dapd)

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