Essen. . Schauspiel Essen: Starke Uraufführung von Noah Haidles „Skin Deep Song“ in den Räumen einer alten Tanzschule. Mimi und Woden als jüngere Schwester von Becketts Wladimir und Estragon organisieren ihr Leben als ritualhafte Wiederholung. Altvertraute Witze und Sätze werden zum Kitt für kaputte Seelen.

Der letzte Walzer ist lange vorbei. Die alte Tanzschule, die das Schauspiel Essen für die Uraufführung von „Skin Deep Song“ ausgewählt hat, gleicht heute einer Erinnerungsruine, wie gemacht für diesen Totentanz unter der Discokugel. Geblieben ist nur der schäbigschöne Saal, den Regisseur Thomas Krupa, Ausstatter Andreas Jander und das famose Ensemble mit Licht, Phantasie und purer Spielfreude füllen.

Ums Spielen geht es in „Skin Deep Song“, um Theater als Traumabewältigung. Altvertraute Witze und Sätze sind Kitt für kaputte Seelen. Der US-Autor Noah Haidle hat daraus ein traurigkomisches Stück gemacht, das Well-Made-Play-Tradition und Existenzialismus-Fragen vereint. Und während Haidle die Essener Premiere beehrte, startete in Amerika seine erste Kinokomödie, mit Al Pacino. Haidle hat derzeit Hochkonjunktur.

Lachen ist letztes anarchisches Aufbäumen

Seine Hauptfiguren Mimi und Woden organisieren wie Schwestern von Wladimir und Estragon ihr Dasein in ritualhafter Wiederholung, in erwartungsloser Vorfreude auf das Nichts, das bei Haidle am Ende doch Züge einer Entwicklung trägt.

Auch interessant

Floriane Kleinpaß (Woden) und Silvia Weiskopf (Mimi) spielen diese apokalyptischen Bräute eindrucksvoll, mit heißen Herzen und mit kahlem Schopf. Krieg ist immer und Terror und Traurigkeit. Für diese Zustände existenzieller Not braucht es bei Haidle keine konkrete Benennung. Die Toten, die die Mädchen anfangs in Leichensäcken hinter sich herschleppen, sind sowieso nur einen Verwesungsgrad entfernt von diesen grellen Erinnerungszombies, am Leben gehalten von ewig wiederholten Ritualen, von alten Witzen. Ihr Lachen ist ein letztes anarchisches Aufbäumen.

Stimmungswechsel und Brüche unterstreicht Krupa mit einer geschickten Lichtregie, bei der ein Beamerstrahl die Akteure durch die Zeitebenen des Stückes wirbelt. Da trifft man auf Hal, der sich als erotischer Spielkamerad der Schwestern mit toten Tauben und kruden Textvorgaben arrangieren muss. Jörg Malchow zeigt ihn als letzter Söldner der Sinnlichkeit, so angerührt wie versteinert. Tom Gerbers Stacey ist ein 1a-Vater-Fiesling mit unwiderstehlichem Hüftschwung, während Bettina Schmidt die Mutter Gay als Mischung aus Glucke und spätem Südstaatenfeger formt. Und Heiner Stadelmanns Großvater zeigt in Windeln und Pappmaché-Krone so viel leiseweise Würde, dass man seiner dementen Figur sogar das altbekannte Warten auf den Bus verzeiht.

Termine: 6., 26., 27. Februar, Tanzschule Maxstraße 54. Karten: Tel. 0201-8122-200.