Essen. . Der Regisseur Wolfgang Engel („Joseph und seine Brüder“, „Der Turm“) inszeniert Joseph Roths „Hiob“-Roman kühl und klar im Essener Grillo-Theater. Erst zum Ende hin lässt sich die Bühnen-Umsetzung auf die Musikalität und die Märchenhaftigkeit der Vorlage ein.

Am Ende finden sie noch einmal alle zusammen: die Lebenden und die Toten, die Verrücktgewordenen und die Verlorengeglaubten. In Wolfgang Engels klarer, kühler Inszenierung von Joseph Roths Roman „Hiob“ wird das Wunder einfach angenommen, wie die Verzweiflung und der Schmerz, der Glaube und die Hoffnungslosigkeit.

Es sind die großen Fragen, die „Hiob“ parallel zur alttestamentlichen Prüfungsgeschichte verhandelt: Was gibt uns Halt? Sind wir für unser Unglück selbst verantwortlich? Hat das Leiden einen Sinn? – Die Bühnenfassung von Koen Tachelet nimmt sie auf. Regisseur Wolfgang Engel, der in Düsseldorf mit „Joseph und seine Brüder“ und mit der Dresdner Uraufführung von Uwe Tellkamps „Turm“ sein Geschick für große Textbrocken beweisen konnte, hat sich tief in den Stoff hineingearbeitet und die Fasern dieses Geflechts aus Fremdheit, Schuld und Glaubensverlust auf Gegenwartstauglichkeit befühlt, ohne nach vordergründiger Aktualität zu suchen.

Und dann kam Menuchim

Trotzdem bleibt uns der fromme Jude Mendel Singer seltsam fremd, der mit Frau und vier Kindern in Südrussland lebt. Tom Gerber spielt ihn als Taumelnden ohne Fallhöhe. Als religiösen Hardliner, der in der Dorfschule schon mal den Gürtel schwingt, aber in tiefster Verzweiflung keine Miene verzieht. Als der Erste Weltkrieg naht, läuft Singer vor sich und dem Unglück davon. Bis ihn in Amerika alles einholt, die Verlorenheit, die Gotteszweifel. Zwei Söhne sterben im Krieg, Tochter Mirjam wird verrückt, Ehefrau Deborah stirbt vor Gram. Erst die fast messianische Erscheinung des behinderten Sohnes Menuchim, den man in der Heimat zurückließ und der nun geheilt und erfolgreich nach Amerika kommt, versöhnt den leidgeprüften Vater.

Auf Andreas Janders aufsteigendem Stelenfeld, das an hebräische Schriftzeichen und ans Berliner Holocaust-Mahnmal erinnert, nimmt die konzentrierte, zunächst fast athletische Inszenierung Anlauf, die Geschichte über Raum und Zeit hinauszutragen. Annika Martens’ hochbewegliche Mirjam lässt sich hier von Kosaken jagen. Der nackte zuckende Körper Menuchims wird auf einer abschüssigen Rampe malträtiert. Später werden die hüfthohen Steine zur Grabkammer für Deborah, die uns Bettina Schmidt mit schöner, durchsetzungsfähiger Duldsamkeit nahebringt.

Stars-and-Stripes-Fähnchen

Die kurzen Szenen geraten prägnant, manchmal aber etwas plakativ, wenn Amerika mit einem Stars-and-Stripes-Fähnchen herbeigewunken wird. Das Labyrinthische der Bühne und des Lebens aber wird zum Symbol einer Inszenierung, die sich erst zum Ende hin auf die Musikalität und Märchenhaftigkeit der Romanvorlage einlässt. Dann kann das Wunder geschehen.

Termine: 26. Oktober, 1. und 4. November, Karten: 0201/ 8122-200 www.theater-essen.de