Gelsenkirchen. Das „Pottfiction”-Camp auf dem Consol-Gelände wurde mit viel Musik eröffnet. Die Party dauerte bis weit nach Mitternacht, die Theaterarbeit mit jungen Leuten der Region soll die Kulturhauptstadt im kommenden Jahr bereichern.
Wie eine Mischung aus Zigeunerlager und Wild-West-Wagenburg thront es da mitten auf der grünen Wiese, das „Pottfiction”-Camp neben dem Consol-Theater. Noch scheinen Zelte und Trailer still und friedlich, noch deutet nichts darauf hin, dass hier in wenigen Minuten eine große Eröffnungsparty steigen wird. Nur ein paar Leute machen sich auf dem Sattelauflieger, der mal eben zur Bühne umfunktioniert wird, zu schaffen, verkabeln Mikros und Instrumente, checken den Sound.
Dann plötzlich kommen sie von allen Seiten: Jugendliche in bunten T-Shirts, allesamt Teilnehmer dieses Camps, und Neugierige von außerhalb, die mal gucken wollen, was denn hier so los ist. Und das ist jede Menge: „Hans der Kleingärtner” nennt sich eine Combo aus Berlin, die in Jamaicas Landesfarben gelb und grün die Bühne entert und mit fetten Reggae-Beats die Party eröffnet. Zwar hält sich die Sonne nach wie vor hinter grauen Wolken versteckt, aber die Kids tanzen dennoch ausgelassen, während Frontmann CheRas Knittelverse wie „Mensch, wir woll'n verreisen, andre Länder, andre Speisen” ins Mikro singt.
"Habt ihr Bock auf Rock'n'Roll?"
Die zweite Band des Abends heißt zwar „Arme Ritter”, aber die Jungs haben trotzdem alles, was man braucht: Zwei Gitarren, Bass, Drums, griffige Songs - fertig. „Gelsenkirchen, habt ihr Bock auf Rock'n'Roll?”, fragt Sänger und Gitarrist Manni zu Beginn. Die Antwort geben nicht nur Dutzende jugendlicher Kehlen mit zustimmendem Gejohle, sondern rund eine Stunde später auch Manni selbst: „Gelsenkirchen, ihr rockt geil.”
Zwischen diesen Sätzen drischt Manni dermaßen auf die Gitarrensaiten ein, dass diese mehrfach reißen und er insgesamt drei Instrumente während des Gigs verschleißt. Entsprechend energetisch und mitreißend klingt der Sound der Band, die Punkrock groß schreibt, aber auch Platz für Melodien lässt.
Und für merkwürdigen Humor: Als Manni einem Zuhörer von seinem Bier anbieten will, fällt ihm gerade noch ein, dessen Alter zu testen: „Zeig mal deinen Sack!” Ob der Angesprochene der Aufforderung nachkommt, ist nicht festzustellen. Wo das Niveau sich in diesem Moment gerade versteckt hat, auch nicht.
"Mensch, dat ist doch Theater"
Ganz außerirdisch wird es abschließend, als mit einstündiger Verspätung „Die Rakede” aus Köln (gibt es eigentlich keine Gelsenkirchener Bands, die bei so einer Veranstaltung spielen können?) startet. Mit spacigen Sounds und Hulk-Posen setzen sie dem Programm die Krone auf, bevor es ab Mitternacht in die Kellerbar des Consol Theaters geht, wo bis in die Puppen zu House- und Disco-Beats weitergefeiert wird.
In den Umbaupausen zwischen den Gigs zeigen die Gruppen der an „Pottfiction” beteiligten Theater kurze Sketche, mit denen sie die Themen präsentieren, die sie im Laufe der nächsten Monate bearbeiten wollen - mal kurz und prägnant, mal konzeptionell etwas zerfasert. Dialog zweier älterer Zaungäste: „Hömma, wat schreien die da so rum?” - „Mensch, dat is doch Theater!”