Cannes. . “Ich bin Kapitalist und glaube an dieses System“, sagt Hollywoodstar Brad Pitt, trotzdem fürchtet er, dass das System korrumpierbar sei. Im Interview spricht er über seinen neuen Film “Killing Them Softly“, über Ideale, die es zu verteidigen gilt, über Gewalt im Film und die hohe Kinokunst.

Als Kind sang er im Kirchenchor, Bekanntheit errang er zunächst durch Auftritte in „Dallas“. Der Durchbruch gelang Brad Pitt anno 1991 als junger Liebhaber von Geena Davis in „Thelma & Louise“. Mit „Interview mit einem Vampir“ und „Legenden der Leidenschaft“ wurde Pitt zum Publikumsliebling. Dass er nicht nur für Popcorn-Kino gut ist, zeigte er mit einer cleveren Filmauswahl, zu der ambitionierte Werke wie „12 Monkeys“, „Fight Club“, „Babel“ oder „Inglourious Bastards“ gehörten. Nun kommt der Schauspieler und Produzent als cooler Killer in „Killing Them Softly“ in die Kinos, einem Krimi mit reichlich Gesellschaftskritik. In Cannes stellte Pitt das Werk vor und lud zur Interview-Audienz ins „Carlton“-Hotel.

Mister Pitt, Sie spielen in „Killing Them Softly“ den coolen Killer - ist das die perfekte Rolle für Ihr Image?

Brad Pitt: Ich weiß nicht. (lacht) In solchen Kategorien denke ich eigentlich überhaupt nicht. Bei einer Rolle interessiert mich vor allem, ob sie das Potential von neuen Erfahrungen bietet.

Ein Genre-Krimi mit untypisch viel Sozialkritik - wie wichtig war Ihnen diese politische Komponente?

Pitt: Das ist ganz sicher ein provokativer Stoff, der seinen Nachhall findet und das ganz gewiss nicht ohne Grund. Ich persönlich würde das Bild von Amerika zwar nicht ganz so definieren, gleichwohl möchte ich diese kritischen Töne keinesfalls kleinreden. Der Film zeigt, dass Politiker sich nicht mit den eigentlichen Problemen beschäftigen, sondern lediglich mit der öffentlichen Wahrnehmung dieser Probleme und ihre vermeintlichen Lösungen - und das ist ein kontraproduktiver Weg.

„America is not a country, it’s a business” sagen Sie am Schluss als Killer Jackie an der Theke, sehen Sie das ähnlich?

Pitt: Jackie verurteilt er dieses System keineswegs, er sagt nur: ‚So läuft der Laden eben, nach diesen Regeln muss man spielen.’ Jackie versucht, mit möglichst wenig Gefühlen seinen Job zu machen. Amerika hat viele Facetten und für mich ist es ein großartiges Land. Es gibt Ideale wie Innovation, Integrität, Gerechtigkeit und Fairness - aber diese Ideale müssen verteidigt werden.

Haben Demokratie und Kapitalismus versagt?

Pitt: Ich kenne kein besseres System, aber es muss besser geschützt werden. Ungezügelter Kapitalismus kann Amok laufen. Ich bin Kapitalist und glaube an dieses System. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass dieses System korrumpierbar ist, ob nun durch die menschliche Natur oder durch bewusste Absicht. Wir benötigen also auf alle Fälle strengere Regulationen. Die Frage ist, was ist verantwortlicher Kapitalismus? Wenn Chevron seit Jahrzehnten sein Öl in Ecuador abkippt, weil sie mit dieser Umweltverschmutzung ungeschoren davon kommen? Da stellt sich die Frage nach Gesetzen, zugleich gibt es immer eine persönliche Verantwortung. Allerdings bin ich kein Ökonom und will hier nicht den Experten geben.

Welche gesellschaftliche Verantwortung haben Künstler?

Pitt: Mich interessieren Geschichte, die von unserer Zeit handeln und davon, wer wir sind. Wenn man die Möglichkeit bekommt, sich zu aktuellen Themen zu äußern, dann macht man das. Kunst sagt etwas darüber aus, wer wir sind und wo wir heute stehen - ein Film sagt nicht alles, aber doch einiges.

Steht Hollywood nicht eher für Kommerz als für Kunst…

Pitt: Diesen alten Kampf zwischen Kunst und Kommerz wird es immer geben. Da wird es nie eine Einigung geben, aber das ist auch gar nicht entscheidend, weil beide benötigen sich gegenseitig, Kunst und Kommerz bilden eine Symbiose.

Sie gehören zu den Bestverdienern von Hollywood, sind zudem als Produzent an den Einnahmen beteiligt - wie wichtig ist Geld für Sie?

Pitt: Geld hat man nie genug - allerdings verschwinden damit ja nicht die Probleme, sondern es ergeben sich ganz neue damit. Geld eröffnet natürlich Möglichkeiten und gibt dir Freiheiten. Du kannst reisen und neue Länder kennenlernen - das würde ich jedem wünschen und gönnen, denn dann wäre die Welt ein besserer Ort.

Was haben Sie beim Reisen gelernt?

Pitt: Je mehr ich reise, desto deutlicher wird mir diese Ungerechtigkeit, dass dein Geburtsort dein Schicksal bestimmt. Ich hatte das Glück, an einem Ort aufzuwachsen, der mir die besten Chancen bot. Erst dadurch kam ich in die Lage, den Jackpot der Lotterie zu gewinnen. Für mich ist das eine Verpflichtung, etwas von diesem Reichtum abzugeben.

Pitt und Tarantino

Superstar Brad Pitt ...
Superstar Brad Pitt ... © AP
... kam ohne Angelina, ...
... kam ohne Angelina, ... © ddp
... dafür aber mit der Regisseur Quentin Tarantino, ...
... dafür aber mit der Regisseur Quentin Tarantino, ... © ddp
... Schauspieler Melanie Laurent, Alexander Fehling, Diane Kruger, ...
... Schauspieler Melanie Laurent, Alexander Fehling, Diane Kruger, ... © ddp
... Til Schweiger ...
... Til Schweiger ... © AP
... und vielen anderen nach Berlin, ...
... und vielen anderen nach Berlin, ... © ddp
... zur Premiere von
... zur Premiere von "Inglorious Basterds". © AP
Brad Pitt und Regisseur Quentin Tarantino ...
Brad Pitt und Regisseur Quentin Tarantino ... © ddp
... lassen die Muskeln spielen.
... lassen die Muskeln spielen. © ddp
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Der Film fällt nicht so gewalttätig aus wie Tarantino, aber auch hier haben Sie einige brutalen Szenen - wie stehen Sie zur Gewalt?

Pitt: Wir leben nun einmal in einer Welt voller Gewalt. Ich muss dazu ja nur meine eigenen Kinder betrachten, wenn sie gerne raufen. Gewalt gehört zur Welt der Gangster, da kann ein Mord durchaus passieren. Ich hätte größere Probleme, einen Rassisten zu spielen.

Wie viel Einfluss machen Sie bei Dreharbeiten geltend?

Pitt: Film ist Mannschaftssport. Aber am Ende des Tages ist der Regisseur der Macher und deswegen begebe ich mich gerne in dessen Hände.

Was reizt Sie an Ihrem kommenden „The Counselor“ von Ridley Scott?

Pitt: Ich habe nur ein paar Drehtage. Aber ich bin ein absoluter Fan von Cormac McCarthy und habe alles von ihm gelesen - das meiste davon mehrfach. Außerdem freue ich mich auf ein Wiedersehen mit Ridley Scott, der mir damals den Durchbruch ermöglichte. Last not least bin ich ein Fan von Michael Fassbender.

Welche Rolle spielt Loyalität für Sie?

Pitt: Hollywood hat da ja einen schlechten Ruf. Es stimmt schon, dass es hier eine ziemliche Oberflächlichkeit gibt und sich alles um das Geld dreht. Zugleich habe ich in Hollywood die interessantesten Menschen getroffen: Intellektuelle, wissbegierige und nachdenkliche Leute, mit denen man gerne zusammen ist.