Washington. Filmreife Rettung in Teheran: Auf einem realen Fall basiert der Thriller „Argo“ – 1980 wurden sechs Amerikaner aus dem Iran geschmuggelt – sie gaben sich als Mitglieder einer kanadischen Filmcrew aus. Verfilmt wurde das geheimdienstliche Meisterstück von und mit Ben Affleck.
Dass der Auslandsgeheimdienst Amerikas auswärts vollständig unblutig eine nationale Krise entschärft und mit tolldreisten Tricks aus Hollywoods Traumfabrik Menschenleben rettet, dass die CIA sozusagen Spionage in Kunst verwandelt - mal ehrlich, selbst für die verwegensten Regisseure wäre diese Drehbuch-Idee zu abgeschmackt. Ausgenommen natürlich, sie ist der Wirklichkeit ausgeborgt. In solchen Fällen greifen sich Leute wie George Clooney (als Ko-Produzent) und Ben Affleck (als Regisseur und Hauptdarsteller) den Stoff, peppen ihn den Gesetzen der Spannungsbogenlehre und dem Ratschlag von Tony Mendez folgend dezent auf und machen daraus den exquisitesten Polit-Thrillers des Jahres: „Argo“.
Tony Mendez ist der Erfinder von „Argo“. Ein geheimdienstliches Meisterstück, das 20 Jahre unter der Decke blieb und der geistlichen wie politischen Führung im Iran bis heute mehr Bauchgrimmen bereiten dürfte als jede Mohammed-Karikatur.
Amerikas Demütigung von 1979
4. November 1979. Der Schah hat abgedankt und Ayatollah Khomenei das Ruder in der Hand. Vor der US-Botschaft in Teheran tobt der Mob. Studenten stürmen die diplomatische Vertretung, nehmen 53 Geiseln. Amerikas Demütigung beginnt. Sie sollte 444 Tage bis zur Befreiung dauern und Präsident Jimmy Carter das Amt kosten.
Tony Mendez, bei der CIA auf Exfiltration (das Gegenteil von Einschleusung) spezialisiert, bekommt die Nachricht, dass es sechs Landsleute unerkannt ins Gästehaus des kanadischen Botschafters geschafft haben. Mendez’ Auftrag, im Film überbracht von einem Vorgesetzten, dem „Breaking Bad“-Titan Bryan Cranston überragend zerknitterte Verbissenheit abringt, lautet: Hol die Leute heil nach Hause. Oha. Im Iran tobt Revolution. Grenzen und Flughäfen sind dicht. Alles, was nach Amerika riecht, nach „Großen Satan“, wird mit Haut und Haaren gefressen. Mendez kommt mit einem potemkinschen Dorf in XXL. Mit echten Hollywood-Profis (ansteckend lakonisch im Film: John Goodman und Alan Arkin) entsteht das Skript für einen kanadischen Science-Fiction-Film namens „Argo“. Dazu werden Studios angemietet, Visitenkarten gedruckt und die Branchenzeitungen heiß gemacht. Alles an diesem „Sting“ muss echt wirken.
Ziel: Mendez fliegt als Kopf des Projekts (alias Kevin Harkins) nach Teheran, beantragt beim Kulturministerium die nötigen Dreh-Genehmigungen, trainiert den sechs Botschafts-Flüchtlingen lupenreine Doppel-Identitäten aus der Film-Branche an – und fliegt mit der gesamten Crew, die vorher mit 1a-gefälschten kanadischen Pässen ausgestattet wird, nach zwei Tagen unerkannt in die Freiheit. Die CIA-Spitze schüttelt den Kopf, lässt Mendez aber machen. Am 25. Januar sitzt er im Flugzeug.
Kein Amerika-Hurra-Film
Robert Anders, Henry Lee Schatz, die Ehepaare Mark und Cora Lijek sowie Josef und Kathleen Stafford haben da seit fast drei Monaten nur Scrabble gespielt, Cognac getrunken, viel geraucht und noch viel mehr Angst gehabt. Ihre erste Reaktion: Mendez spinnt. Wenn wir auffliegen bei der Pass-Kontrolle, sind wir alle tot. Nichts flog auf, nur ab. Die Grenzer gingen der abenteuerlichen Film-Geschichte auf den Leim. Am 28. Januar 1980 hatten Anders & Co. in Zürich-Kloten freien Boden unter den Füßen. Mendez wurden (ganz geheim) zu den 50 wichtigsten CIA-Mitarbeiter aller Zeiten dekoriert und mit einem erst Ende der 90er Jahre gelockerten Maulkorb versehen.
Er zog in die Blue Ridge Mountains nahe Washingtons, malte sich fortan Seelenfrieden auf die Leinwände und schrieb die unglaubliche Räuberpistole nieder. Ben Affleck (alias Mendez), minimalistisch im Ausdruck und bis in die Haarlänge und Krawattenbreite stilecht, folgt ihr minutiös und beeindruckend. Lediglich das Ende wurde aus dramaturgischen Gründen um eine doppelte Portion Nervenkitzel bereichert. „Argo“ ist kein politischer Propaganda- oder Amerika-Hurra-Film, sondern ziemlich erwachsenes, handwerklich blendend gemachtes Kammerspiel auf oscarnominierungsreifem Niveau.
"Wir haben eben an alles gedacht"
Als vor zwei Wochen in der kanadischen Botschaft in Washington Film-Volk, Ex-Geiseln und der echte Tony Mendez zum großen „Argo“- Empfang zusammenkamen, gab es eine kleine herzzerreißende Szene am Rande. Henry Lee Schatz, damals Konsulatsangestellter, erzählte, dass er nach der Landung in der Schweiz die Telefonnummer auf der für ihn produzierten Tarn-Visitenkarte angerufen habe. Nur um sicherzugehen, dass die CIA wirklich sorgfältig gearbeitet hat. „In meinem Büro in Hollywood meldete sich eine Sekretärin und sagte, ich sei auf Reisen, um Drehorte für einen Science-Fiction-Film zu finden.“ Tony Mendez schmunzelte. „Wir haben eben an alles gedacht.“ Ben Affleck auch.