Frankfurt/Main. . Der chinesische Autor Liao Yiwu, der in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, hat die Vergabe des Literaturnobelpreises an seinen Landsmann Mo Yan kritisiert. Für alle Chinesen, die einen Sinn für Gerechtigkeit hätten, sei Mo Yan ein Staatsautor, sagte Liao.

Preisträger gegen Preisträger: Der chinesische Autor Liao Yiwu, der in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, hat die Vergabe des Literaturnobelpreises an seinen Landsmann Mo Yan kritisiert. Für alle Chinesen, die einen Sinn für Gerechtigkeit hätten, sei Mo Yan ein Staatsautor, sagte Liao am Freitag in Frankfurt am Main. Liao, der nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz 1989 wegen Veröffentlichung eines Gedichts vier Jahre im Gefängnis saß und 2011 nach Deutschland flüchtete, erhält die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung am Sonntag. Er hat inzwischen in Berlin eine neue Heimat gefunden.

Kein Schriftsteller, unabhängig von seinem Genre, dürfe gewissenlos oder unmoralisch handeln, sagte Liao. "Für uns vertritt Mo Yan das System." Mo habe eine hohe Ebene der Literatur erreicht, aber dies habe mit Wahrheit oder Menschlichkeit nichts zu tun. "Ich bin anders", betonte der 54-Jährige. Für ihn stehe an erster Stelle die Wahrheit und erst an zweiter die Literatur.

"Sehr diffuses Moralsystem im Westen"

Er erzählte, wie er 2010 in Deutschland, auf dem Weg zur Buchmesse, von der Vergabe des Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo erfahren habe. Die Entscheidung habe Intellektuelle und Aktivisten im chinesischen Untergrund ermutigt. "Wir haben uns so gefreut." Am Donnerstag habe er ebenfalls auf dem Weg zur Buchmesse von der Wahl für Mo Yan erfahren. Sein Eindruck sei, dass es ein sehr diffuses Moralsystem im Westen gebe.

Die Kraft zu schreiben, auch wenn seine Aufzeichnungen mehrfach beschlagnahmt worden seien, habe mit seinem Wunsch nach Wahrheit zu tun. Ihm mache der Gedanke große Angst, dass seine Erfahrungen und Erlebnisse in Vergessenheit geraten könnten. Diese Angst treibe alle um, die 1989 Opfer des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens geworden seien. "Mo Yan ist bereit, das Massaker zu vergessen", sagte Liao in Bezug auf den diesjährigen Literaturnobelpreisträger.

Vorwürfe gegen Altkanzler Schmidt bekräftigt

Liao sprach auch von den vier Jahren, die er im Gefängnis verbracht hatte: Das Gefängnis mache Menschen zu Hunden, sagte er. Um die Schande und die Demütigungen verarbeiten zu können, habe er das Bedürfnis gehabt, seine Erlebnisse aufzuschreiben. In seinem neuen Buch "Die Kugel und das Opium" lässt der Autor, der sich selbst als Chronist sieht, Opfer der Ereignisse vor 23 Jahren zu Wort kommen.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der jüngst Verständnis für das Verhalten der Soldaten beim Massaker 1989 gezeigt hatte, warf er erneut "Doppelmoral" vor. Schmidt stelle wirtschaftliche Interessen über Menschenrechte, sagte er. "Menschen zu töten gehört sich nicht", betonte Liao. (dapd)