Berlin. . Nachbarn, Gema, Spekulanten – auf der Berlin Music Week stellen sich Clubbetreiber ihren Dämonen. Von kulturellem Niedergang ist auf dem Festival ansonsten wenig zu merken. Die wilden Zeiten, in denen Bars in Abbruchhäusern und U-Bahn-Tunneln gegründet wurden, sind allerdings längst vorbei.

Im Berliner Spreespeicher tobt ein Kulturkampf. Es geht um die Zukunft des Nachtlebens. Oder um sein Ende, je nach Sichtweise. Die Kontrahenten könnten schon optisch kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite des Podiums sitzt Olaf Möller, Sprecher der Berliner „Club Comission“. Er vertritt die wichtigsten Nightlife-Institutionen der Stadt. Möller trägt ein Karohemd mit Kapuze, die Haare hat er zu einem Igel gegelt. Am anderen Ende der Bühne wartet Lorenz Schmid. Er hat die Gema-Tarife mitentwickelt, die sämtliche Clubs in Deutschland im nächsten Jahr entrichten sollen. Schmid, ein rundlicher Exil-Bayer im Anzug, hat das Pech, dass er ungefähr so Pop-affin wie Angela Merkel aussieht.

Aber er ist mit Zahlen bewaffnet. Sie sollen beweisen, dass die Gema-Tarifreform nicht die Disco-Dämmerung bedeutet. Maximal zehn Prozent des Eintritts seien vertretbar, in kleinen Clubs laufe das am Abend auf drei Kästen Cola hinaus. Sein Gegenspieler argumentiert, die Tarifreform verursache Mehrbelastungen von bis zu 1000 Prozent und bedrohe 10.000 Jobs in Deutschland – ein apokalyptisches Szenario, das sich kaum belegen lässt. Am Ende versandet die Diskussion irgendwo zwischen Quadratmeter-Abgaben, „Laptop-Vervielfältigungszuschlag“ und „lizenzierten Dancefloors“.

„Die Abenteuerspielplätze werden kleiner“

Die komplizierte Debatte um die Gema-Tarife spiegelt einen Umbruch in Berlin wider. Die wilden Zeiten, in denen Bars in Abbruchhäusern und U-Bahn-Tunneln gegründet wurden, sind längst vorbei. „Die Abenteuerspielplätze werden kleiner“, räumt Björn Döring, Leiter der Berlin Music Week, ein. Clubs und Konzertbühnen hatten es schon mal leichter. Die Mieten ziehen an, Nachbarn beschweren sich, Millionen Touristen im Jahr verstärken die Kommerzialisierung.

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    Andererseits zeigt gerade die Music Week, dass die Stadt vom kreativen Niedergang noch weit entfernt ist. Mehr als 300 Bands und DJs treten an vier Festivaltagen auf. Im „Bi Nuu“ stellen sich israelische Bands vor, ein paar Straßen weiter sind Frankreich und die Türkei vertreten. Beim Berlin Festival in Tempelhof spielt das isländische Orchester Sigur Rós vor 20.000 Fans und verwandelt den strengen Flughafen in einen magischen Ort.

    Der Popkomm trauert keiner nach

    Vor einem Jahr fand hier noch die Popkomm statt. Der einst größten Musikmesse der Welt trauert in Berlin kaum jemand nach. „Seien wir ehrlich, das Ende hatte mit Angebot und Nachfrage zu tun“, sagt Döring. „2000 Euro für einen Stand rechnet sich für viele Labels einfach nicht mehr.“ Auf seiner Music Week mag es weniger glamourös zugehen, dafür hat sie einen pragmatischeren Ansatz. Auf Workshops kommt das Geld aus der Wirtschaftsförderung direkt bei den jungen Künstlern an. Auch das Rahmenprogramm boomt. „Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden“, erzählt Döring, „Fast jede Clubveranstaltung war ausverkauft.“ Das Nachtleben ist gerettet. Zumindest fürs Erste.